
Zwischen Terroristen und Russischen Söldnern – Mali steckt tief in der Krise
Bamako/Bonn ‐ Der Sahelstaat Mali ist im Dilemma. Dschihadisten breiten sich zunehmend aus. Doch jenen, die das bekämpfen sollen, werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Aktualisiert: 31.07.2025
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Es klang nach einem echten Erfolg für Malis Streitkräfte. Eigenen Angaben zufolge gelang es der Armee Mitte Juli, einen bekannten Terroristen des Islamischen Staates in der Größeren Sahara umzubringen. Malischen Medienberichten zufolge soll es sich um Souleymane Ag Bakawa - auch „Soldat“ genannt - handeln, offenbar ein einstiger Deserteur.
Details gibt es nicht; die Mitteilung lässt sich wie so viele andere auch nicht unabhängig prüfen. Was aber weitaus schlimmer ist: Andere Terroristen rücken nach. So stehen die Streitkräfte des Sahelstaates und die Junta, die dort seit knapp fünf Jahren an der Macht ist, mehr denn je unter Druck. Die Terroristen verschiedener islamistischer Bewegungen breiten sich zunehmend in Richtung Süden und Westen aus. Auch der einstmals hochgelobte russische Partner – Mali holte 2021 als erster Staat in Westafrika offiziell die russische Söldnertruppe Wagner ins Land – wird erneut beschuldigt, Menschenrechtsverbrechen zu begehen, Seite an Seite mit der malischen Armee.
Hinrichtungen und Verschleppungen
Die aktuellsten Vorwürfe stammen von Human Rights Watch (HRW). In einem Mitte Juli veröffentlichten Bericht warf die Menschenrechtsorganisation der Armee die Hinrichtung von mindestens zwölf Männern vor. Sie sollen der ethnischen Gruppe der Fulani angehört haben. Mindestens 81 weitere wurden demnach verschleppt. HRW beruft sich auf knapp 30 Telefonate mit Zeugen und Experten.
Das Militär begründet die Einsätze mit der Terrorismusbekämpfung. Neben regionalen Ablegern der Islamischen Staates hat sich seit ihrer Gründung 2017 eine Bewegung ganz besonders regional ausgebreitet: die mit der Al-Kaida verbundene „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM).
JNIM setzt sich allerdings aus verschiedene Ethnien und einstmals selbstständigen Milizen zusammen. Das hat sie stark gemacht. Kopf ist Iyad Ag Ghali, ein Tuareg, dessen Vergangenheit das „Wall Street Journal“ kürzlich beleuchtete. Von wegen radikaler Muslim und Kämpfer für einen unabhängigen Tuareg-Staat: Einst soll er Kette rauchend und Whiskey trinkend die Tuareg-Rockband Tinariwen unterstützt haben.
Dschihadisten als Geldeintreiber
Musik, Alkohol und Zigaretten sind heute in Gegenden, die von JNIM besetzt sind, undenkbar. JNIM-Anhänger kontrollieren Straßen, treiben Gelder ein und übernehmen so Aufgaben des seit Langem abwesenden Staates. Damit gelten die Dschihadisten in der Bevölkerung als durchaus berechenbar, sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. „Hält man sich an die Vorschriften, hören die Repressionen auf.“
Bekannt ist JNIM aber auch für die Einführung eines radikal-konservativen Islams. Das ist ungewohnt für Mali. Der Islam kam zwar bereits im 9. Jahrhundert auf das heutige Staatsgebiet, seine Auslegung war jedoch stets moderat und afrikanisch. Das ändern die Islamisten. Zugleich wächst der Einfluss der streng konservativen Wahhabiten auf Mali und die Region.
Aktuell breitet sich JNIM in Richtung Mauretanien und Senegal aus. Dort gibt es Goldminen. Der Rohstoff ist ein enormer Konflikttreiber, mit dem sich Terroristen wie kriminelle Gruppen ohne politische Agenda finanzieren.
Malis Lebensader in Gefahr
Illegaler Handel und Truppenbewegungen: Viel davon läuft über die Nationalstraße RN1. Sie führt von der senegalesischen Grenze bis in die Hauptstadt Bamako und ist die Lebensader Malis. Das Land, in dem es kaum Industrie gibt, ist abhängig von Wareneinfuhren aus dem Nachbarland und Küstenstaat Senegal.
Senegal wiederum galt lange als politisch stabiler und demokratischer Staat in Westafrika und befürchtet zunehmend eine Infiltration von JNIM-Anhängern. Das trifft auch auf das nördlicher gelegene Mauretanien zu. Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat das Land knapp 177.000 Geflüchtete registriert, fast ausschließlich Malier.
Nach Einschätzung der Denkfabrik Timbuktu Institut wird JNIM versuchen, die territoriale Kontrolle auszuweiten. Überraschend ist das nicht: Längst ist die Gruppen in den Sahelstaaten Burkina Faso und Niger präsent und wird zunehmend für Küstenstaaten wie Benin und die Elfenbeinküste zum Sicherheitsproblem.
Wagner-Miliz wird zum Afrikakorps
All das sollte eigentlich die russische Wagner-Miliz verhindern, die mittlerweile als Afrikakorps direkt der russischen Regierung unterstellt ist. Die Präsenz der Russen sorgte in Europa für zahlreiche Debatten, obwohl Beobachtern zufolge kaum mehr als 1.500 Söldner zeitgleich in Mali – das Land ist flächenmäßig knapp 3,5 Mal so groß wie Deutschland bei nur fast 22 Millionen Einwohnern – stationiert sind.
Während in Europa der fortschreitende russische Einfluss kritisiert wird, muss die Bevölkerung vor Ort mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen leben. Besonders in Erinnerung geblieben ist das Massaker von Moura durch staatliche Sicherheitskräfte und Wagner-Söldner. Mehr als 300 Zivilisten wurden ermordet, die Malis Armee fälschlicherweise zunächst als Terroristen bezeichnet hatte.
Kommt es künftig wieder zu Menschenrechtsverletzungen, wird es wohl zunehmend schwieriger werden, diese zu dokumentieren. Der Putschistenführer von einst, Assimi Goïta, ist längst Staatspräsident und bleibt durch einen neuen Gesetzentwurf wohl bis mindestens 2030 an der Macht. Die Pressefreiheit ist massiv eingeschränkt. Auch die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen – Minusma – wurde auf Druck der Regierung beendet. Obwohl sie häufig kritisiert wurde, hat sie sich durchaus zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen geäußert und versucht, mit Projekten zumindest auf lokaler Ebene für etwas Stabilität zu sorgen.

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