Europas schwierige Partnerschaft mit dem Sahel
Bonn/Bamako ‐ Die Krise im Sahel spitzt sich weiter zu. Mehr als 2,8 Millionen Menschen sind aufgrund von Überfällen bewaffneter Gruppen auf der Flucht. Die Zivilgesellschaft soll es richten.
Aktualisiert: 15.07.2024
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Es fehlt an Lebensmitteln, medizinischer Versorgung, Unterkünften und vor allem an Sicherheit im Sahel. Der jüngste schwere Angriff ereignete sich Anfang Juli in der Region Mopti, die im Zentrum Malis liegt. Im Dorf Djiguibombo soll die islamistische „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM) laut einem Bericht von Radio France Internationale (RFI) mindestens 21 Menschen ermordet haben. Andere Medien sprechen vor mehr als 40 Opfern. In Mali wie in den Nachbarländern Burkina Faso und Niger sind mittlerweile mehr als 2,8 Millionen Menschen auf der Flucht.
International wahrgenommen wird die schwere Krise in der Region aber viel zu wenig, kritisiert etwa der Norwegische Flüchtlingsrat. Das spiegelt sich auch in der Finanzierung. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) benötigt alleine für Burkina Faso für das laufende Jahr insgesamt 935 Millionen US-Dollar, um Menschen mit den Nötigsten zu versorgen. Bisher erhalten hat es aber nur knapp 20 Prozent.
Etwas mehr Aufmerksamkeit wird die Region ab Montag erhalten, wenn sich die Sahel-Allianz auf Einladung von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in Berlin trifft. Vor einem Jahr hat die SPD-Politikerin den Vorsitz übernommen. Deutschland, Frankreich sowie die Europäische Union gründeten die Allianz 2017, um die von Terrorismus, Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und Flucht betroffene Region zu unterstützen. Die Geber haben seitdem mehr als 28 Milliarden Euro mobilisiert.
Doch bei Gründung der Sahel-Allianz war die politische Situation in der Region eine komplett andere. In der kommenden Woche werden Vertreter der Zivilgesellschaft erwartet, nicht aber die Regierungsvertreter von Mali, Burkina Faso und Niger. In allen Ländern sind Militärs an der Macht. Der erste Putsch in Mali liegt knapp vier Jahre zurück. Lange war Niger der vielzitierte „Stabilitätsanker“. Doch auch dort stürzte die Armee im Juli 2023 Präsident Mohamed Bazoum. Er wird weiterhin von den Putschisten festgehalten.
Instabiler Stabilitätsanker
„Die Absagen von Mali, Niger und Burkina Faso sind bedauerlich“, sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Konferenz mache dennoch Sinn, um sich mit Tschad und Mauretanien auszutauschen. Auch helfe sie, um „Kontakte mit der Krisenregion aufrechtzuerhalten und die Zivilgesellschaft zu stärken“, so Laessing gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Die offiziellen Kontakte in die Region laufen auf Sparflamme; Anfang Juli kündigte die Bundeswehr an, ihren Stützpunkt Niamey bis Ende August zurück nach Deutschland zu verlegen. Schulze besuchte allerdings im März Burkina Faso und traf sich als erste europäische Ministerin mit der dortigen Junta, kam aber auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen.
Die gelten in Europa oft als letzte Hoffnung. Gerade in Burkina Faso haben die Balai Citoyen – übersetzt Bürgerbesen – 2014 Eindrucksvolles erreicht. Durch ihre friedlichen Proteste zwangen sie Langzeitherrscher Blaise Compaore zum Rücktritt. Doch nichtstaatliche Organisationen, aber auch Journalisten und Menschenrechtler stehen massiv unter Druck und Beobachtung. Im Juni wurden zwei Journalisten verschleppt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Burkina Faso aufgefordert, umgehend nach ihnen zu suchen. Dabei handelt es sich offenbar nicht um Einzelfälle.
Die Juntas machen allerdings längst klar, dass sie eigene Wege gehen. Auf die Wagner-Söldner folgt nun Russlands Afrikakorps, das in allen drei Ländern präsent ist. Vor Ort heißt es, dass man vor allem an Waffenkäufen interessiert sei, um Terroristen zu bekämpfen. Aufgrund mangelnder Transparenz und Achtung der Menschenrechte lehnen europäische Länder Waffendeals ab.
Die Sahel-Krise begann Ende 2011 durch einen Aufstand von Teilen der Tuareg-Bevölkerung im Norden Malis. Wenig später stürzte das Militär die damalige Regierung. In dieser Phase gelang es islamistischen Gruppen erstmals, sich in der Region auszubreiten. Zwischenzeitlich wurden sie zurückgedrängt. Mittlerweile sind sie aber bis in den Norden der westafrikanischen Küstenstaaten präsent.