Das erwartet Afrika 2026
Bonn/Abuja ‐ Wahrgenommen werden Afrikas Krisen und Kriege: Das ist mehr als verständlich, leiden Millionen Menschen unter Gewalt, Vertreibung und Perspektivlosigkeit. Doch Europas Nachbarkontinent ist vielfältig.
Aktualisiert: 22.12.2025
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Gut 1,5 Milliarden Menschen, 54 Länder, mehr als 30 Millionen Quadratkilometer, kleine Dörfer ohne Infrastruktur und moderne Megacities: Der afrikanische Kontinent ist viel zu vielfältig für einheitliche Prognosen für das Jahr 2026. Doch klar ist: Den ungleichen Weg werden Kriege und Krisen ebenso zeichnen wie Wirtschaftswachstum und eine kritische Jugend.
Die größte humanitäre Krise der Welt spielt sich im Sudan ab. Seit Beginn des Krieges um die Vormachtstellung in dem nordostafrikanischen Land zwischen der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces (RSF) sind mehr als 150.000 Menschen getötet worden. Alleine innerhalb des Landes sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks mehr als 11,8 Millionen Menschen vertrieben.
Doch trotz möglicher Gespräche über eine Waffenruhe wird der Krieg das kommende Jahr überschatten. Nachdem die RSF Ende Oktober die Stadt El Fasher in Nord-Darfur besetzt haben, kämpfen sie nun in der Region Kordofan weiter östlich - und somit in Richtung Hauptstadt Khartum. Dazu gehören zahlreiche Angriffe auf Zivilisten.
So führt der Sudan die Liste der Krisen – erstellt von der Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) – an, die sich 2026 mit hoher Wahrscheinlichkeit verschärfen werden. „Die Bedrohung für Millionen Menschen nimmt zu – ohne jegliche Rechenschaftspflicht für die Konfliktparteien“, so IRC. Die Forscher des Osloer Friedensforschungsinstituts (PRIO) erklären: Der Krieg wird nach dem in der Ukraine und im Nahen Osten die meisten Todesopfer fordern und belastet auch die Nachbarländer, selbst wenn Kampfhandlungen bisher nicht über Grenzen schwappten. Doch Länder wie der Tschad, der Südsudan, Äthiopien und Ägypten haben mehrere Millionen Flüchtlinge aufgenommen.
Keine Verbesserung in vielen Sahel-Staaten
Auch im Sahel ist keine generelle Verbesserung in Sicht. Verschiedene islamistische Gruppen kontrollieren ganze Dörfer. Zu Mali analysierte der Norwegische Flüchtlingsrat jüngst, dass sich die Gewalt in Richtung Süden ausgebreitet habe. Die Folge: Mehr Menschen sind auf der Flucht, was auch die Zahlen spiegeln. Ende November gab es 402.167 registrierte Binnenvertriebene, Ende 2024 waren es noch 354.739. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 5,1 Millionen Menschen dringend auf Hilfe angewiesen seien – bei einer Bevölkerung von knapp 22 Millionen.
Was die Situation so schwierig macht, ist eine mangelnde Strategie im Anti-Terror-Kampf. Nachdem sich die Militärregierungen von Mali, Niger und Burkina Faso deutlich von Europa als Partner und der mittlerweile beendeten UN-Stabilisierungsmission für Malis Norden distanziert hatten, wurde vor allem dort demonstrativ eine Zusammenarbeit mit der russischen Wagner-Gruppe, heute Afrikakorps, betont. Verlässliche Zahlen gab es nie, Beobachtern zufolge waren aber nie mehr als 1.000 bis 1.500 im Land, das flächenmäßig mehr als dreimal so groß wie Deutschland ist.
Der Rückzug der russischen Kämpfer wurde offiziell Mitte des Jahres mit „Mission erfüllt“ angekündigt. Die Investigativplattform The Sentry bezeichnete den Einsatz aber als Reinfall. Was zudem schwer wiegt: Menschenrechtsverletzungen durch malische Soldaten wie ausländische Söldner halten an. Zuletzt kritisierte Human Rights Watch, das bei zwei Massakern im Oktober mindestens 31 Menschen starben. Den Opfern wurde oft vorgeworfen, sie hätten terroristische Gruppen unterstützt. Ermittlungen gibt es nie.
Auch im Osten des Kontinents prägen Repressionen von Seiten der Regierungen den Alltag vieler Menschen. In Uganda seien 2025 mindestens 550 Oppositionelle und Journalisten verhaftet worden, kritisierte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk. Das dürfte nur ein Vorgeschmack auf die Präsidentenwahl am 15. Januar sein, bei der der 81-jährige Yoweri Museveni, der seit 1986 an der Macht ist, längst als Sieger feststeht. Nach aktuellem Stand sind afrikaweit gut 20 Parlaments- und Präsidentenwahlen für 2026 geplant.
Von Repression bis Revolution
Wie massiv gegen Kritiker vorgegangen wird, hat Tansania am 29. Oktober erlebt. Bei Protesten rund um die Präsidentenwahlen, die Amtsinhaberin Samia Suluhu Hassan mit 98 Prozent gewonnen hat, wurden unterschiedlichen Schätzungen zufolge rund 1.000 Menschen getötet. Fergus Kell, Analyst bei der Denkfabrik Chatham House, schreibt: „Tansania wird nie wieder so sein, wie es einmal war“ – galt das Land am Indischen Ozean doch als recht stabil, gemütlich und als traumhaftes Urlaubsparadies.
Trotz aller Tragik zeigt es auch: Regierungen müssen sich zunehmend auf Proteste der Generation Z, der Jahrgänge zwischen 1995 und 2010, einstellen. In Madagaskar ebnete sie unlängst den Weg zum Staatsstreich. Die Jugend wird – ohne sich notwendigerweise in Parteien zu engagieren – die politische Landschaft künftig noch stärker prägen.
Denn die Jungen sind zumindest zahlenmäßig die große Mehrheit; Afrika ist längst der am stärksten wachsende Kontinent. Damit wird er einerseits vor allem für günstige Produkte aus Asien zum spannenden Absatzmarkt. Chancen für die Wirtschaft in den einzelnen Ländern bieten nach Einschätzung der Analysten der Economist Group andererseits mehrere regionale und internationale Handelsabkommen, die 2026 weiter vorbereitet werden. Ebenfalls wichtig sei die weitere Digitalisierung von Dienstleistungen, bei denen Europa zumindest teilweise längst hinterher hinke.
Einige wie das längst etablierte Senden von Geld per Handy bringt auch die ländliche Entwicklung voran. Dort könnte zumindest in Teilen noch eine weitere Entwicklung künftig den großen Unterschied machen: Impfungen gegen Malaria. Zwar warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO jüngst vor zunehmenden Resistenzen bei Malaria-Medikamenten.
Doch die Immunisierung gilt schon jetzt als Erfolg. Mittlerweile wurden nach Angaben der internationalen Impfallianz Gavi 24 Länder Afrikas mit mehr als 40 Millionen Impfdosen beliefert. Ziel ist es, bis 2030 weitere 50 Millionen Kinder vollständig gegen Malaria zu impfen. Für Afrika ist das ein Meilenstein.
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