Putten mit den Schlüsseln Petri und der päpstlichen Tiara, am 7. Dezember 2023 im Petersdom im Vatikan.
Theologisches Konsenspapier soll Weg zur Einheit ebnen

Vatikan macht Vorschläge für ein Papstamt für alle Kirchen

Vatikanstadt ‐ Der päpstliche Anspruch, die gesamte Kirche wie ein Monarch zu regieren, ist eines der Haupthindernisse für die Einheit der Christen. Nun kommen aus Rom Vorschläge, die zu einer Annäherung führen könnten.

Erstellt: 13.06.2024
Aktualisiert: 13.06.2024
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Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Der Vatikan hat Vorschläge für ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstamtes gemacht, wonach der Papst künftig von anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden könnte. Die Vorschläge stellten der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch und der Generalsekretär der Weltbischofssynode, Kardinal Mario Grech, am Donnerstag in Rom vor.

Die unter dem Titel „Der Bischof von Rom“ gesammelten Orientierungen sind Ergebnis jahrzehntelanger theologischer Dialoge, die verschiedene christliche Kirchen mit der katholischen Kirche jeweils separat geführt haben. Das Papier, das von Papst Franziskus genehmigt wurde, schlägt für die katholische Kirche mehrere weitreichende Änderungen vor. Ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstprimats solle „zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen“.

Die erste Änderung betrifft eine neue Lesart der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils. Dieses hatte 1870 die dogmatische Unfehlbarkeit des Kirchenoberhaupts verkündet. Zudem hatte es den Papst zum obersten Gesetzgeber und Richter der gesamten christlichen Kirche erklärt. Die damaligen Beschlüsse sollen nun, so das Papier, in die neuere Theologie integriert werden, die Kirche nicht mehr als Monarchie, sondern als Gemeinschaft versteht. Zudem sollten sie dem „heutigen kulturellen und ökumenischen Kontext angepasst werden“.

Als Nächstes fordert das Papier eine klare Trennung zwischen den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Bischofs von Rom. Dazu müsse er sein örtliches Bischofsamt in Rom sichtbarer ausüben. Sodann müsse geklärt werden, inwiefern er als „Patriarch des Westens“ in bestimmten Fragen mit den Kirchen des Ostens auf einer Stufe stehen könne, während er in anderen den „Primat der Einheit in der Gemeinschaft der westlichen wie der östlichen Kirchen“ innehaben würde.

Beratungsebene für Kirchenführer

Der dritte Vorschlag betrifft die Verfassung der katholischen Kirche. Diese müsse im Inneren weiter in Richtung einer „Synodalität“, also einer gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung, gehen. Dazu gehöre ein Nachdenken über die Autorität der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen und die Frage, welche Stellung diese künftig im Geflecht der katholischen Weltsynode und der Römischen Kurie einnehmen.

Schließlich regt der Text die Schaffung einer neuen globalen Beratungsebene mit regelmäßigen Treffen der Kirchenführer unterschiedlicher Konfessionen an. Damit solle die bereits bestehende Gemeinschaft unter ihnen vertieft und nach außen sichtbarer gemacht werden.

Das Papier enthält auch Vorschläge zur künftigen ökumenischen Rolle des Papstes. So solle er künftig konfessionsübergreifende Konzilien einberufen und ihnen vorsitzen können. Ferner könnte er im Falle von Disziplinar- oder Lehrkonflikten die Rolle eines Mediators übernehmen.

Braucht es ein neues Konzil?

Mit Blick auf die von Rom getrennten Kirchen im Westen führt das Papier einen „Primat der Verkündigung und des Zeugnisses“ an, der für sie auch dann annehmbar sei, wenn die volle Kircheneinheit noch nicht erreicht sei.

Offen ist, wie die vatikanischen Vorschläge kirchenrechtlich umgesetzt werden. Der Papst könnte einige davon, die seine eigene Machtfülle oder die synodale Verfassung der Kirche betreffen, durch Kirchengesetze in Kraft setzen. Erste Schritte hat er mit Blick auf seine Rolle als römischer Bischof und auf die synodale Verfassung der Kirche bereits gemacht.

Andere bedürften vermutlich der Zustimmung eines Dritten Vatikanischen Konzils. Die Anerkennung des Papstes als „Ehrenoberhaupt“ wäre wohl nur über eine neuartige „Ökumenische Synode“ zu erreichen. An ihr würden dann, ähnlich wie im ersten Jahrtausend, auch Delegierte anderer Kirchen mit Stimmrecht teilnehmen.

Als ersten Schritt kündigte Koch an, dass der Vatikan die Vorschläge den anderen Kirchen zur Bewertung zusenden werde. Man hoffe auf positive Antworten und weiterführende Gespräche.

Armenier und Anglikaner begrüßen Vorschläge

Die offiziellen Vertreter der anglikanischen und der armenischen apostolischen Kirche haben die jüngsten Vorschläge aus dem Vatikan begrüßt. Nach der Vorstellung des Dokuments „Der Bischof von Rom“ sagte der aus Armenien zugeschaltete Erzbischof Khajag Barsamian am Donnerstag, das Dokument werde von jetzt an ein Referenzpunkt für die Gespräche zwischen den Kirchen sein.

Barsamian betonte, dass es in den ersten Jahrhunderten eine kirchliche Gemeinschaft ohne gemeinsames Kirchenrecht und gemeinsame Struktur gegeben habe; Pluralität sei damals akzeptiert worden. Er hoffe, dass diese Praxis der ersten Jahrhunderte auch künftig wieder gelten werde.

Zwischen den Kirchen könne es „eine gewisse Form von Synodalität geben, auch wenn noch nicht die völlige kirchliche Einheit bestehe“, so der armenische Erzbischof. Er schlug vor, das Dokument und die sich daraus ergebenden Perspektiven beim 1.700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nicäa zwischen den Kirchen zu vertiefen.

Neue Perspektiven

Für die Kirche von England begrüßte Erzbischof Ian Ernest das Dokument als einen großen Erfolg. Der persönliche Repräsentant des Erzbischofs von Canterbury in Rom sagte, das Papier eröffne neue Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen mit Blick auf das vieldiskutierte Thema des Papstprimats.

Die katholische Kirche rief er auf, die Anregungen des Papiers aufmerksam wahrzunehmen und so zur Rezeption der ihm zugrundeliegenden ökumenischen Dialog beizutragen. Unter den Vorschlägen aus dem Vatikan sei die Idee einer „Neuformulierung“ der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) über den Papstprimat besonders wichtig, betonte der anglikanische Erzbischof. Bislang sei diese Lehre einer der größeren Stolpersteine zwischen den Kirchen.

Als zukunftsweisend bezeichnete Ernest die Rückkehr der zeitgenössischen Päpste zum Titel „Diener der Diener Gottes“, den bereits Papst Gregor der Große (590-604) eingeführt habe. Diese Formel sei die beste Garantie dafür, dass der Primat des Papstes stets auch als Dienst verstanden werde. Die Kirche von England habe sich schon seit längerer Zeit dafür ausgesprochen, einen universalen Papstprimat im Sinne eines sichtbaren Einheitssymbols für die christlichen Kirchen anzuerkennen.

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