EU-Parlament billigt Gesetz gegen Produkte aus Zwangsarbeit
Straßburg ‐ In zahllosen Bekleidungsartikeln und Elektrogeräten steckt Zwangsarbeit. Für jeden Durchschnittskunden in der EU arbeiten Schätzungen zufolge Dutzende Sklaven im Ausland. Ab 2027 soll sich das ändern.
Aktualisiert: 23.04.2024
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Das EU-Parlament hat einem gesetzlichen Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit abschließend zugestimmt. Die Verordnung schreibt vor, Waren aus dem Handel zu nehmen, wenn sich bei Kontrollen durch Behörden der Mitgliedsländer oder durch die EU-Kommission der Verdacht bestätigt, dass bei der Herstellung oder in Zulieferbetrieben Zwangsarbeit eingesetzt wurde. Die betreffenden Produkte müssen dann verschenkt, recycelt oder vernichtet werden. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, haben mit einer Geldstrafe zu rechnen.
Für das Gesetz stimmten 555 Abgeordnete, 6 dagegen; 45 enthielten sich. Die Verordnung muss formell noch vom Rat der Europäischen Union gebilligt werden. Ab 2027 müssen die Mitgliedstaaten sie im Einzel- und Online-Handel anwenden.
Die Berichterstatterin des Binnenmarkt-Ausschusses, die portugiesische Sozialdemokratin Maria-Manuel Leitao-Marques, sagte, Europa könne nicht seine Werte exportieren, während es mit Zwangsarbeit hergestellte Waren importiere. Die handelspolitische Berichterstatterin Samira Rafaela von den niederländischen Liberalen erklärte, das Gesetz diene dem Kampf gegen Zwangsarbeit weltweit. Es verlagere die Macht von den Ausbeutern hin zu Verbrauchern und Beschäftigten und ermögliche den Opfern eine Entschädigung.
Asien und Pazifikraum besonders betroffen
Im Jahr 2021 waren nach Schätzungen der EU 27,6 Millionen Menschen weltweit von Zwangsarbeit betroffen, der Großteil in Asien und im Pazifikraum. Kinder machen demnach ein Viertel aus.
Behörden der EU-Staaten und die Kommission in Brüssel sollen künftig auf Hinweise etwa von internationalen Organisationen, Behörden in Partnerländern oder Whistleblowern Nachforschungen unternehmen. Ein besonderes Augenmerk gilt auch Wirtschaftszweigen und Regionen, in denen Zwangsarbeit erfahrungsgemäß häufig vorkommt.
Der handelspolitische Sprecher der Linken im Europaparlament, Helmut Scholz, sprach von einem „ersten Schritt auf dem langen Weg, Produkte auf dem Binnenmarkt mit unseren menschenrechtlichen Ansprüchen in Einklang zu bringen“. Er kritisierte aber, die Mitgliedstaaten hätten im Gesetzgebungsverfahren „erfolgreich verbindliche Wiedergutmachungspflichten für Staaten und Unternehmen blockiert“.
CDU-Abgeordneter: Zur falschen Zeit
Der Vorsitzende der Europa-SPD, Rene Repasi, betonte, gleich ob in der Autoherstellung in China, beim Kaffeeanbau in Brasilien oder in der deutschen Fleischindustrie, alle Unternehmen müssten sich an das Verbot halten. „Es ist nicht hinnehmbar, dass im 21. Jahrhundert die Zahl der Menschen in Zwangsarbeit weiter massiv steigt statt zu sinken“, so Repasi. „Wir können nicht länger die Augen davor verschließen, was in unseren Lieferketten geschieht.“
Der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary, Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel, erklärte, es gehe darum, „unnötige Bürokratie abzubauen und neue zu vermeiden“. Daher komme die Regelung „grundsätzlich zur falschen Zeit“, so der Christdemokrat.