Samuel Gbaguidi, Ernährungsberater, zeigt lokale Produkte wie Mehl aus Soya, Erdnüssen und Mais sowie Kokosmilch gegen Mangelernährung am 10. Oktober 2023 in einem Waisenhaus in Ouidah (Benin).
Moringa, Erdnussbutter und Kokosmilch in einem Beniner Waisenhaus

Lokale Produkte als Lösungsansatz gegen Mangelernährung

Ouidah  ‐ Mangel- und Unterernährung sind bis heute auf Teilen des afrikanischen Kontinents verbreitet. Dabei gibt es lokale und günstige Lösungen. Ein Waisenhaus in Ouidah in Benin setzt auf Eigenverantwortung.

Erstellt: 16.11.2023
Aktualisiert: 15.11.2023
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Von Katrin Gänsler (KNA)

An diesem Vormittag bleibt das Sprechzimmer von Samuel Gbaguidi leer. Der Ernährungsberater arbeitet in der Pouponniere, einem Waisenhaus in der Stadt Ouidah, die 40 Kilometer westlich von Benins Wirtschaftsmetropole Cotonou entfernt liegt. Neben der Arbeit mit Kleinkindern bietet es eine medizinische Grundversorgung an. Die Ernährungsberatung ist ein Teil davon und bis heute dringend nötig, sagt der Experte.

„In Ouidah gibt es viele Fälle von Mangelernährung. Die Verantwortlichen warten oft so lange, bis der Gesundheitszustand der Kinder sehr schlecht ist“, so der 36-Jährige. „Manchmal liegen die Kinder fast im Sterben. Dann müssen sie ins Krankenhaus überwiesen werden.“ An manchen Tagen werden gleich mehrere Mädchen und Jungen gebracht. Manchmal kommt auch eine Woche lang niemand in seine Sprechstunde.

Dass lange gezögert wird, habe mit Unwissenheit und Kultur zu tun, so Gbaguidi. In Dörfern werde bis heute manchmal behauptet: „Wenn ein Kind eine Spritze bekommt, stirbt es an diesem Pieks.“ Er erlebt allerdings auch, dass es nicht immer die Kinder der Armen sind, die mangelernährt sind. In Haushalte, die über mehr Geld verfügen, sind längst hoch verarbeitete Produkte eingezogen. Sie gelten als modern, obwohl die Qualität oft schlechter ist. „Heute wird abgepackter Ananassaft bevorzugt. Dabei ist die frische Ananas, die hier wächst, viel gesünder.“

Covid-Pandemie hat Hunger ansteigen lassen

Wie gravierend die Folgen für die Kinder sind, sieht auch Allgemeinmediziner Jonathan Ahoga, der im Zimmer nebenan Patienten empfängt: „Die Muskeln sind nicht so ausgeprägt. Haut und Haare sehen nicht gut aus. Es kommt zu Entwicklungsverzögerungen. Manchen Kindern fällt das Sprechen schwer.“ Mangelernährung hat auch Konsequenzen, wenn weitere Krankheiten wie Malaria auftreten. Sie schwächt das ganze Immunsystem.

Auf Mangel- und Unterernährung macht die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) immer wieder aufmerksam. Im aktuellen Bericht schätzt diese, dass 2021 zwischen 702 und 828 Millionen Menschen und somit zwischen 8,9 und 10,5 Prozent der Weltbevölkerung von Hunger betroffen waren. Durch die Covid-Pandemie sind die Zahlen seit 2019 wieder gestiegen. Afrika ist besonders betroffen; jeder fünfte Mensch leidet dort an Hunger.

Im September betonte das Kinderhilfswerk Unicef, dass besonders Unterernährung von Kindern in West- und Zentralafrika ein zentrales Problem bleibe. Bei knapp 80 Prozent mangelt es an Ernährungsvielfalt, und fast ein Drittel hätten Wachstumsverzögerungen. „Unterernährung ist eine Verletzung der Kinderrechte“, so Felicite Tchibindat, Unicef-Regionaldirektorin für West- und Zentralafrika.

Das „Superfood“ wächst überall

Dabei lässt sich dagegen viel tun, ist Ordensfrau Lucrece Akatkoto in Ouidah sicher. Sie gehört den Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von den Aposteln an, die das Waisenhaus Pouponniere seit 1980 leiten. „Hier verfügen viele Menschen noch über ein kleines Grundstück. Darauf lässt sich zum Beispiel Gemüse anbauen, mit dem Familien die Qualität ihrer Mahlzeiten verbessern können.“ Mit ausgewogener Ernährung ließen sich Krankheiten vermeiden, so die Ordensfrau. Sie appelliert auch an Eigenverantwortung: „Moskitonetze werden heute beispielsweise kostenfrei verteilt. Menschen müssen sie aber auch über ihre Betten spannen.“

Für eine gute Ernährung lassen sich auch viele heimische Pflanzen nutzen, sagt Samuel Gbaguidi. Dazu gehören die Blätter des Meerrettichbaums (Moringa oleifera). Im Internet wird Moringa schon als neues „Superfood“ gefeiert. Die Blätter haben einen hohen Proteinanteil und enthalten verschiedene Vitamine, Kalzium sowie die Spurenelemente Kupfer und Zink. Aus getrockneten Blättern lässt sich Tee kochen. Gbaguidi bevorzugt aber, sie direkt vom Baum gepflückt zu essen. „Die Bäume wachsen überall, und die Blätter kosten kein Geld.“

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