Candide Migan, selbstständig als Zem-Fahrerin, auf ihrem E-Roller am 30. August 2023 in Cotonou (Benin).
Westafrikanischer Staat will Vorreiter in E-Mobilität werden

Benins grüne E-Roller

Cotonou ‐ Abgase und Motorlärm sollen in der Hafenmetropole Cotonou künftig weniger werden. Auf Schiene und Öffentlichen Nahverkehr setzt das afrikanische Land allerdings nicht, sondern auf Elektro-Roller und E-Motorräder.

Erstellt: 19.09.2023
Aktualisiert: 19.09.2023
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Von Katrin Gänsler (KNA)

Sie sind grün, verursachen weder Abgase noch laute Geräusche – und fangen an, das Stadtbild von Cotonou zu prägen, Benins Wirtschaftsmetropole am Golf von Guinea: Elektro-Roller und Elektro-Motorräder des Unternehmens Spiro. Seit Ende 2022 wurden nach eigenen Angaben zufolge mehr als 5.000 Maschinen in dem Land mit gut 13 Millionen Einwohnern verkauft und verpachtet. Die Stadt solle deutlich ökologischer werden, mit weniger Treibhausgasen, sagt Unternehmenssprecher Kevin Gbaguidi.

Die Hafenstadt Cotonou ist dafür ein idealer Markt. Ein Öffentlicher Personennahverkehr hat sich nie durchgesetzt. Neben privaten Motorrädern werden „Zemidjans“ genutzt, motorisierte Zweiradtaxen – häufig nur „Zem“ genannt. Auf Fon, der am meisten an der Küste verbreiteten Sprache, bedeutet Zemidjan etwa: „Bring mich schnell irgendwohin!“ Es gibt Schätzungen, dass allein in Cotonou 250.000 von ihnen zugelassen sind. Auch für andere Städte sind sie typisch.

Benin soll nun zum Vorreiterland für E-Mobilität werden – die es bislang auf dem Kontinent nicht gibt. Einer der Gründe dafür ist die schlechte Stromversorgung, die in vielen Ländern zu starken Schwankungen unterliegt. In Benin gibt es deshalb inzwischen 150 Swap Points: Ladestationen, die entladene gegen volle Batterien tauschen. Ladezeiten fallen damit weg.

Die Anschaffungskosten allerdings sind für die meisten Menschen in Benin enorm. Der Mindestlohn liegt bei gerade mal umgerechnet 80 Euro im Monat. Die große Mehrheit hat keine Festanstellung und keine Möglichkeit, Geld anzusparen. Die Preise für die mit Strom betriebenen Modelle liegen jedoch zwischen 900 und 1.200 Euro, während herkömmliche Benziner-Modelle bei rund 600 Euro anfangen. Für sie gibt es zudem einen riesigen Gebrauchtmarkt.

Expansion

Spiro hat derweil ein Tauschsystem entwickelt. Vor einer der Geschäftsstellen stehen Dutzende alte Benzin-Modelle, deren Einzelteile recycelt oder verschrottet werden sollen. Abgegeben haben sie Zem-Fahrer – bis auf wenige Ausnahmen sind es Männer – und dafür ein E-Motorrad erhalten. Der Deal lautet: Ein Fahrer muss täglich knapp fünf Euro für die Pachtgebühr erwirtschaften. Damit hat er Anspruch auf geladene Batterien, mit denen er laut Spiro jeden Tag rund 200 Kilometer weit fahren darf, eine Vollkaskoversicherung und auch die Gebühr für die Zulassung ist enthalten. Der Vertrag gilt für bis zu 150.000 gefahrene Kilometer.

„Über Umweltschutz hören wir von der Regierung viel“, sagt Vincent Ahoussa, der seit 2005 seinen Lebensunterhalt als Zem-Fahrer verdient. Sein 2015 gekauftes Motorrad einzutauschen, ist für ihn aber keine Option. „Wenn es ein Solarmodell wäre, dann schon.“ Nur das würde ihm echte Unabhängigkeit bieten. Mit dem aktuellen Modell befürchtet er, sich zu stark von einem Unternehmen abhängig zu machen. Stattdessen kümmert er sich lieber selbst um Ölwechsel und neue Reifen und betankt sein Motorrad selbst, obwohl die Benzinpreise inzwischen mit umgerechnet mehr als einem Euro so hoch sind wie nie zuvor.

Candide Migan hat sich stattdessen gar nicht erst mit einem Benzin-Modell abgegeben. Als sie im Frühjahr arbeitslos wurde, brachte ein Freund sie auf die Idee, sich als Zem-Fahrerin selbstständig zu machen. Nach einigen Fahrten war klar: Es wird der kleine Roller. An guten Tagen erwirtschaftet sie für sich umgerechnet rund 8 Euro und kann sich ihre Arbeit selbst einteilen. „Es macht Spaß und ermutigt andere Frauen, auch als Fahrerin zu arbeiten.“ Tatsächlich seien die Reaktionen eher positiv. „Einige Kunden fühlen sich sicherer, wenn sie eine Frau fährt.“ Dauerhaft möchte sie den Job aber nicht machen, sondern Geld für Kanada zurücklegen, wo bereits ein Teil ihrer Familie lebt. Es sei ihr Traum, dorthin auszuwandern.

Spiro ist mittlerweile auch im Nachbarland Togo aktiv; Ruanda, Uganda und Kenia sollen folgen. Kevin Gbaguidi betont: Das System hat durch die Ladestationen zahlreiche Jobs geschaffen. Weitere sollen folgen, wenn die motorisierten Zweiräder künftig auch noch gut 45 Kilometer nördlich von Cotonou im neuen Industriegebiet Glo-Djigbe produziert werden. Auf eine Industrialisierung setzt schließlich die Regierung von Patrice Talon, der als Großunternehmer stets eng mit der Politik verbunden war, bis er 2016 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde. Den bisherigen Unternehmenschef von Spiro, Shegun Adjadi Bakari, hat er gerade zu seinem Außenminister gemacht.

KNA

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