Benin-Projekt: Franziskaner Pere Auguste setzt sich für Menschen ein, die als Hexen stigmatisiert werden
Am 10. August begeht Missio den internationalen Tag gegen Hexenwahn

Hexenwahn in Westafrika: Wie ein Kapuziner betroffenen Frauen und Kindern hilft

Cotonou ‐ Hexenverfolgung ist kein Phänomen von Mittelalter und Früher Neuzeit. Sie ist bis heute in vielen Ländern Alltag. Im westafrikanischen Benin laufen Neugeborene sogar Gefahr, deshalb ermordet zu werden.

Erstellt: 10.08.2023
Aktualisiert: 28.08.2023
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Von Katrin Gänsler (KNA)

Zwei Fälle von ritueller Kindstötung hat es in den ersten sechs Monaten im Norden Benins gegeben, so die Bilanz von Auguste Agounkpe. Im Vergleich zu früheren Jahren sei die Zahl zurückgegangen und somit auch ein Erfolg, sagt der 52 Jahre alte Kapuziner-Bruder und Leiter der Organisation Franciscains Benin (Franziskaner Benin). Er kämpft seit 2004 für ein Ende der Ritualmorde an Kindern, hat die Arbeit von Priester Pierre Bio Sanou übernommen. „Aber natürlich kennen wir die Dunkelziffer nicht“, so Agounkpe.

Verbreitet sind die Morde bei verschiedenen ethnischen Gruppen wie den Peulh und den Bariba. Stirbt die Mutter bei der Geburt oder ist es eine Steißgeburt, gilt das Neugeborene als Hexenkind. Für die Bariba ist zudem die Zahl Acht negativ belegt. Eine Geburt im achten Schwangerschaftsmonat gilt ebenso als böses Omen wie Zahnen im achten Monat - oder wenn zunächst die Zähne des Oberkiefers durchbrechen.

Da bislang Hausgeburten üblich waren, sind die werdenden Mütter zudem den sogenannten Matronen ausgeliefert; älteren Frauen, die die Geburt begleiten. Sie geben die Position des Kindes bekannt und befinden sich somit in einer Machtposition. Mehr Schutz bieten mittlerweile Entbindungsstationen. „Dort weiß es nur die Hebamme“, sagt Agounkpe.

Kapuzinerbruder Auguste Agounkpe
Bild: © Katrin Gänsler/KNA

Der Kapuziner Auguste Agounkpe leitet die Organisation Franciscains Benin, die sich gegen ritualisierten Kindsmord im Zuge von Hexenverfolgung engagiert.

Ein Mitspracherecht haben die Frauen nicht. Einmal zum Hexenkind erklärt, muss sie es einem Bourreau, einem Henker, übergeben, der es verschwinden lässt. Dafür müssen zudem umgerechnet 80 Euro bezahlt werden; so viel wie der staatlich festgelegte Monats-Mindestlohn. Früher habe auch Organhandel eine Rolle gespielt, so Auguste Agounkpe.

In Benin sind rund 62 Prozent der gut 13 Millionen Menschen Christen; der Bevölkerungsanteil der Muslime liegt bei knapp 28 Prozent. Bekannt ist der Küstenstaat auch für die alte Religion Voodoo, die bis heute vor allem im Süden verbreitet ist. Offiziell geben knapp 12 Prozent an, sie zu praktizieren. Tatsächlich praktizieren viele Gläubige neben den beiden monotheistischen Religionen weiterhin Voodoo. Das Phänomen Hexenwahn, betont Auguste Agounkpe, habe aber nichts mit Religion zu tun. „Wir arbeiten im Norden mit Muslimen zusammen. Die Religionen wollen Kinder schützen.“

Neben Benin auch Nigeria vom Hexenwahn betroffen

Dazu soll auch der internationale Tag gegen den Hexenwahn beitragen, den das katholische Hilfswerk missio 2020 ins Leben gerufen hat. Denn nach Angaben des Hilfswerks laufen noch immer in 44 Ländern weltweit Menschen Gefahr, als Hexe bezeichnet, deshalb verstoßen und sogar ermordet zu werden. Die Mehrzahl dieser Länder liegt in Afrika.

Auch in Benins Nachbarland Nigeria sind Menschen bis heute betroffen. „Es gibt eine große Angst vor dem Übersinnlichen“, sagt Egodi Uchendu, Professorin für Geschichte an der Universität Nsukka im Südosten Nigerias. Die Gründe dafür seien vielfältig und Aberglaube nur einer davon. „Auch seltsame Verhaltensweisen führen dazu, dass Menschen als Hexen bezeichnet werden. Manchmal geschieht das auch aus Neid.“

Professorin Egodi Uchendu
Bild: © Katrin Gänsler/KNA

Egodi Uchendu ist Professorin für Geschichte an der Universität Nsukka in Nigeria. Sie selbst wurde als Hexe diffamiert, weil sie eine Konferenz zum Hexenglauben in Afrika veranstaltet hat.

Uchendu selbst wurde ebenfalls 2019 als eine gebrandmarkt. Grund war eine interdisziplinäre Konferenz mit dem Titel „Hexerei in Afrika“. Im Vorfeld hatten mehrere Kirchen versucht, die Veranstaltung zu stoppen. „Mir wurde vorgeworfen, Hexen rekrutieren zu wollen.“ Mittlerweile ist ein Sammelband mit Konferenzbeiträgen erschienen, die auch darauf eingehen, welche Probleme der anhaltende Glaube an Hexen im heutigen Afrika mit sich bringt.

In Benin organisieren Auguste Agounkpe und die Mitarbeiter von Franciscains Benin Informationsveranstaltungen in Dörfern, sprechen mit Hebammen und Dorfvorstehern. Dazu eingeladen werden auch Menschen, die einst vor einem Ritualmord gerettet wurden und heute ohne Stigmatisierung leben.

Als ein Meilenstein gilt ein 2015 verabschiedetes Gesetz, das die Praxis unter Strafe stellt. Ob er jedoch den Norden Benins ohne Ritualmorde an Kindern erleben wird? Sicher ist Agounkpe nicht. „Es braucht viel Zeit, Traditionen zu ändern.“ Daher kämpft er weiter – gegen Hexenwahn und Hexenverfolgung.

KNA