Mit der Kamera gegen Klischees
Cotonou/Parakou ‐ Schon zum dritten Mal findet in Benin ein längst anerkanntes Filmfestival statt, das eine Besonderheit hat: Alle gezeigten Filme stammen von Frauen. Bei der Produktion mussten sie etliche Hürden überwinden.
Aktualisiert: 21.02.2024
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Es ist ein kleines, weißes und unscheinbares Haus, das an einer der Hauptstraßen von Parakou, einer Großstadt im Norden Benins, liegt. Eines der Zimmer wird von einem großen Bett ausgefüllt. Um die Schlafstätte herum quetschen sich zehn junge Frauen. Sie halten Kameras, Tonangel, Mikrofone und eine Synchronklappe in den Händen. Hier entsteht ein ganz besonderer Film: „Malaika“; auf Arabisch soviel wie Engel oder guter Geist.
Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die viel zu jung und gegen ihren Willen verheiratet wurde. Die Folgen sind gravierend. Eine Fehlgeburt führte zu einer Fistel im Genitalbereich, wovon weltweit rund zwei Millionen Frauen betroffen sind, die meisten davon in Afrika. Eine häufige Folge ist Inkontinenz und eine damit verbundene Stigmatisierung. Gerade im ländlichen Raum hat das Thema bis heute für viele Frauen eine Relevanz.
Möglich gemacht hat den Film der Verein „EcranBenin“, der für zehn Stipendiatinnen eine dreimonatige Weiterbildung organisierte. Jede Teilnehmerin schrieb zwei Szenen für das Drehbuch. Gemeinsam kümmerten sie sich auch um die Requisite, wählten Drehorte aus und machten sich mit Ton- und Drehtechnik vertraut. Vor allem aber diskutierten die Frauen über Feminismus und ihre Rolle in der Gesellschaft.
Die 27-jährige Gloria Gatoungbe ist eine der Teilnehmerinnen. „Zuerst habe ich in anderen Bereichen gearbeitet, mich aber zunehmend für die Schauspielerei interessiert. Durch das Projekt habe ich festgestellt, dass ich noch ganz andere Talente habe. Ich hätte nie gedacht, dass mir die Regie so gut gefällt.“ Die gemeinsame Arbeit sei ein großer Motivationsschub und vor allem eine Stärkung des Selbstvertrauens.
Einfach loslegen
Vorläufiger Höhepunkt war die erste öffentliche Vorführung des Films. Mit ihm wurde am Dienstagabend im einzigen Kinosaal Benins das dritte internationale Frauenfilmfestival in Cotonou (FIFF), Wirtschaftsmetropole des 13-Millionen-Einwohner-Landes, eröffnet. Die Begeisterung rund um das gesamte Festival, das bis Samstag dauert, ist groß.
Hinter allem steht ein Name: Cornelia Glele, 26-jährige Filmemacherin, Kritikerin und vom „Forbes“-Magazin 2023 als eine der 30 unter 30-jährigen „Change Maker“ des Kontinents ausgezeichnet. Als sie 2019 die erste Ausgabe des Frauenfilmfestivals organisierte, kümmerte sie sich um fast alles selbst: von der Suche nach Sponsoren bis zur Auswahl der Filme und der Betreuung der Gäste. „Ich war damals Bloggerin und hatte die Idee, ein solches Festival auf die Beine zu stellen.“ Sie wollte nicht auf irgendjemanden warten, sondern einfach loslegen.
Daraus ist mittlerweile eine einwöchige Veranstaltung mit Podiumsdiskussionen, Workshops und einem Wettbewerb mit 18 Filmbeiträgen entstanden. Bei allen führten Frauen die Regie. Die fünfköpfige Jury ist international besetzt. Patin des Festivals ist Filmemacherin Angela Aquereburu Rabatel aus Togo. Eines verbindet alle: Sie blicken durch die Augen von Frauen auf Themen, die wiederum für Frauen zentral sind. Die Auswahl ist vielfältig. Wiederkehrend sind allerdings Filme über Kinderehe und sexualisierte Gewalt, was in vielen Ländern Afrikas bis heute ein großes Tabu ist. Bloße Opfer sind die Hauptcharaktere deshalb aber keinesfalls.
Das passt zum Festival, das eines auf keinen Fall will: selbstmitleidig wirken. In Diskussionen wird beklagt, dass es an Finanzierung für Filme ebenso mangele wie an Ausbildungsmöglichkeiten. Angela Aquereburu Rabatel wird jedoch deutlich: „Ihr seid selbst verantwortlich. Heute haben alle einen Internetzugang. Findet die Möglichkeiten.“
Das ist auch Cornelia Glele wichtig. Etliche Frauen, meint sie, pflegten Stereotype und Klischees. Während der dreimonatigen Weiterbildung hätten Teilnehmerinnen anfangs den Standpunkt vertreten, dass ein Mann nicht in die Küche gehöre und stattdessen das Geld nach Hause bringen müsse. „Einen Monat lang haben wir darüber Debatten geführt.“ Glele ist sich sicher: Durch Gespräche und Filme lassen sich Standpunkte ändern - und sogar Frauenrechte stärken.