Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg, vor einer Landkarte in seinem Büro in Hamburg am 4. März 2022.
Vor Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern

Flüchtlingsbischof Heße: Schutz Geflüchteter ist Verpflichtung

Bonn/Berlin ‐ Am Mittwoch treffen sich in Berlin Vertreter von Bund und Ländern, um über die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten zu sprechen. Im Mittelpunkt werden auch Fragen der Finanzierung stehen. Bischof Heße sieht dabei den Bund in der Pflicht.

Erstellt: 09.05.2023
Aktualisiert: 09.05.2023
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Vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern am Mittwoch mahnt der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße, bei allen Entscheidungen die Menschenrechte zu wahren. „Die ethische und völkerrechtliche Verpflichtung, Geflüchteten Schutz zu gewähren, darf in Deutschland und Europa nicht infrage gestellt werden“, betonte der Hamburger Erzbischof in einer am Dienstag von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Erklärung.

Der Flüchtlingsschutz stelle eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar und sei mit großen Herausforderungen verbunden, fügte Heße hinzu. Länder und Kommunen müssten angemessen durch den Bund unterstützt werden. „Signale der Überforderung sind ernst zu nehmen.

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Gleichzeitig wies der Hamburger Erzbischof darauf hin, dass diese Aufgabe durch große gesellschaftliche Solidarität bislang gut bewältigt worden sei. „Statt angstschürender Parolen bedarf es pragmatischer, menschenwürdiger Antworten“, so Heße weiter: „Es geht nicht um bloße Zahlen, sondern um Menschen mit Gesichtern und Geschichten.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will an diesem Mittwoch mit den Ministerpräsidenten bei einem Gipfelgespräch in Berlin über Probleme bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen sprechen. Die Länder verlangen vor allem mehr Finanzhilfen vom Bund.

Gemeinschaft Sant'Egidio fordert humanitäre Korridore

Vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern am Mittwoch sprach sich zudem die Gemeinschaft Sant'Egidio für sogenannte humanitäre Korridore ein. Diese ermöglichten es, „in besonderen Fällen humanitäre Visa zur Einreise zu verleihen“, erklärte der Geistliche Begleiter von Sant'Egidio Deutschland, Matthias Leineweber, beim kirchlichen Kölner Portal domradio.de am Dienstag. Die Gemeinschaft ist für ihre Friedensarbeit international renommiert.

Auf diese Weise sei eine sichere, legale und auch kontrollierte Einreise nach Europa möglich, sagte Leineweber. „Das kommt dem Staat zugute, aber es kommt vor allem Dingen auch den Flüchtlingen zugute“: Sie müssten sich nicht in die Hände von Schleppern begeben und sich nicht auf gefährliche Überfahrten über das Mittelmeer wagen.

Sant'Egidio arbeitet nach eigenen Angaben seit 2016 mit diesem Modell. Damals seien Geflüchtete aus dem Irak oder Syrien, darunter traumatisierte und kranke Personen sowie alleinerziehende Mütter, mit ihren Familien aus dem Libanon geholt wurden. Seither seien auf diesem Weg über 7.000 Menschen bei Familien oder Institutionen in verschiedenen europäischen Ländern untergekommen. Diese persönlichen Kontakte böten den Betroffenen die Möglichkeit, sich rasch einzuleben, „eine Arbeit zu finden, die Kinder in die Schule zu bringen“, betonte der Experte.

Misereor: Einzelfallprüfung für alle Schutzsuchenden garantieren

Das Bischöfliche Hilfswerk Misereor hat von der europäischen Politik eine Garantie der Einzelfallprüfung für alle Schutzsuchenden verlangt. Der Leiter des Berliner Büros von Misereor, Jonas Wipfler, forderte die Bundesregierung zugleich auf, die Standards einzuhalten, die sie im Koalitionsvertrag zugesichert habe.

Wipfler warf der Bundesregierung vor, ihre Position geändert zu haben und nun Grenzverfahren an EU-Außengrenzen zu befürworten. Das Prinzip der Einzelfallprüfung, des Zugangs zu einem Rechtsbeistand und zu einem fairen Verfahren in allen Prozessschritten sei aber der Kern des Flüchtlingsschutzes.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre an den EU-Außengrenzen zeigten, „dass Grenzverfahren für Asylsuchende absehbar zu Lagern führen, die europäischen Standards nicht gerecht werden und die besonderen Schutzbedürfnisse der Ankommenden nicht im Blick haben“. Keiner der so genannten Hotspot-Zentren der EU habe in der Vergangenheit zu mehr Flüchtlingsschutz und überzeugenden und schnellen Verfahren geführt, sondern zu mehr Leid und Ungerechtigkeit, mahnte Wipfler.

Schnellverfahren für bestimmte Herkunftsnationalitäten bedeuteten im Endeffekt „geschlossene Lager vor den europäischen Grenzen“. Der EU-Gerichtshof habe diese Praxis bereits 2020 im Fall von Ungarn verurteilt. Es steht zu befürchten, dass schlechte humanitäre Bedingungen und kaum Zugang zu rechtlichem Beistand die Folgen seien.

KNA

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