Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst setzt sich in der Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt für Menschen ein, die kein Asyl in Deutschland erhalten.
Jesuiten-Organisation wird 30

Flüchtlingsdienst beklagt Erbarmungslosigkeit in der Politik

Berlin  ‐ Katholische Flüchtlingshelfer blicken mit großer Sorge auf die Richtung, in die die Migrationspolitik derzeit geht. Zum Weltflüchtlingstag mahnen sie, die Menschen hinter den Zahlen nicht zu übersehen.

Erstellt: 19.06.2025
Aktualisiert: 18.06.2025
Lesedauer: 

Kurz vor dem Weltflüchtlingstag am Freitag kritisiert der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland die aktuelle politische Debatte um Flucht und Migration deutlich. „Es gibt eine zunehmende Entsolidarisierung und wachsende Erbarmungslosigkeit in der Politik gegenüber Flüchtlingen“, sagte der Direktor der Organisation, Stefan Keßler, am Mittwoch in Berlin.

In der aktuellen Debatte gerieten die schutzbedürftigen Menschen immer mehr aus dem Blick, warnte Keßler. „Es geht nur noch um Zahlen und Quoten. Dass dahinter einzelne Menschen stehen, kommt kaum noch vor.“ Auch in der derzeitigen Diskussion um die Aussetzung des Familiennachzugs in bestimmten Fällen sieht er eine klare Schieflage: „Zentrale Werte unserer Gesellschaft wie der Schutz von Ehe und Familie werden über den Haufen geworfen, in der irrigen Annahme, damit mehr Wählerstimmen zu gewinnen.“

Diesem Trend setze der Jesuiten-Flüchtlingsdienst gemeinsam mit den Kirchen den Glauben und die Hoffnung auf Gerechtigkeit entgegen, so Keßler. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Deutschland wurde am 20. Juni, inzwischen der Weltflüchtlingstag, vor 30 Jahren gegründet. 

In Deutschland hat die Arbeit der Organisation 1995 mit der Betreuung von Menschen in der Berliner Abschiebungshaft begonnen. Auch heute setzt sich der Jesuiten-Flüchtlingsdienst für Menschen in der Abschiebungshaft ein, aber inzwischen auch für Flüchtlinge im Kirchenasyl, „Geduldete“ und Menschen ohne Aufenthaltsstatus. „Toll, dass es uns noch gibt, und schade, dass es uns noch geben muss“, meint Direktor Stefan Keßler.

Schwerpunkte der Arbeit sind nach demnach die Seelsorge, Rechtshilfe und politische Fürsprache sowie die Förderung der Integration und der Partizipation an politischen und sozialen Entscheidungsprozessen. Bei einem sogenannten Accompany Projekt werden junge Geflüchtete vor und während ihrer Ausbildung durch freiwillige Mentorinnen und Mentoren begleitet, bestärkt und beraten. Für die Mentor-Personen sowie die Geflüchteten steht zudem außerdem ein breites Bildungsangebot zru Verfügung.

Immer mehr Menschen müssen fliehen

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße verwies in einem Grußwort zum 30-jährigen Bestehen der Organisation auf die zuletzt auf rund 122 Millionen gestiegene Zahl von Geflüchteten auf der Welt. Die Solidarität wachse mit dem Ausmaß des Unheils jedoch nicht mit, so der katholische Flüchtlingsbischof (Hamburg). Im Gegenteil gerate der Flüchtlingsschutz zunehmend unter Druck. „Autoritäre und rechtsextreme Tendenzen nehmen zu und internationale Verpflichtungen werden infrage gestellt.“

Nicht nur in den USA stehe der Kurs auf Abschottung und Egoismus, sondern auch in Europa und in Deutschland werde eine aufgeheizte Debatte geführt, „der es an Sachlichkeit mangelt und die stattdessen von Polarisierung und Rufen nach einfachen Lösungen geprägt ist“, so Heße. Zudem argumentiert er, es sei gefährlich, wenn Geflüchtete nur noch als anonyme Masse und Problem behandelt würden. Denn hinter den Zahlen steckten Menschen mit Gesichtern und Geschichten.

Als Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen und Vorsitzendem der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz kennt sich Heße mit dem Thema aus. Bereits mehrfach besuchte er Flüchtlingslager, Aufnahmestellen und Abschiebe-Einrichtungen im In- und Ausland, um sich selbst ein Bild von der Lage der Menschen dort zu machen. Für die Bedeutung der Arbeit des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes zitierte Heße ein Wort Jesu: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen. (Mt 25,35)

weltkirche.de mit Material von KNA, JRS und Archiv