UN: Angriff auf Ukraine auch Kriegserklärung an Ernährungslage
Bonn ‐ Zerstörte Felder in der Ukraine haben Folgen für die Ernährung von Millionen Menschen weltweit, beklagen Experten. Ein Jahr Krieg haben Spuren aber nicht nur dort, sondern auch in der Psyche von Menschen hinterlassen.
Aktualisiert: 21.02.2023
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Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aus Sicht der Vereinten Nationen auch eine Kriegserklärung an die weltweite Ernährungssicherheit. „Eine der wichtigsten Kornkammern der Welt wurde vor einem Jahr in Brand gesetzt. Diese Kriegserklärung an die globale Ernährungssicherheit wirkt fort“, erklärte am Dienstag der Direktor der Berliner und Brüsseler Büros der UN-Organisation World Food Program (WFP), Martin Frick. Anlass ist der erste Jahrestag des Kriegsbeginns an diesem Freitag.
Nach UN-Angaben waren Anfang 2022 insgesamt 283 Millionen Menschen weltweit akut von Hunger betroffen – heute sind es 345 Millionen in 79 Ländern. Das sei eine Folge des Krieges gegen die Ukraine, der negative wirtschaftliche Trends, vor allem ausgelöst durch die Corona-Pandemie, verstärkt habe. Zwar konnten demnach durch das Schwarzmeer-Getreideabkommen bisher knapp 22 Millionen Tonnen Nahrungsmittel exportiert und so die globalen Märkte stabilisiert werden; dennoch sei der Preisindex für Nahrungsmittel immer noch auf einem Zehnjahreshoch.
In der Ukraine habe jeder Dritte nicht ausreichend zu essen, nahe der Frontlinie sei es jeder Zweite, betonte Frick. Das WFP habe wenige Tage nach Kriegsbeginn seine Nothilfe aufgebaut und unterstütze jeden Monat rund drei Millionen Menschen in der Ukraine. Das Land als einer der wichtigsten Nahrungsmittelproduzenten weltweit habe vor dem Krieg 400 Millionen Menschen weltweit ernährt. Nun seien bereits 26 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verloren gegangen. „Zerbombte und verminte Felder sind mehr als Kollateralschäden“, so Frick.
Die Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger forderte, dass die „weltweiten Ernährungssysteme“ widerstandsfähiger gegen Krisen werden müssten. Aktuell litten rund 828 Millionen Menschen an Hunger und Mangelernährung. Diese Zahl steige seit Jahren. „Der Krieg in der Ukraine zeigt uns, wie fragil unsere Ernährungssysteme sind. Wir müssen nun alles dafür tun, um kurzfristig Hungersnöte zu verhindern und langfristig unsere Ernährungssysteme umzugestalten“, betonte Geschäftsführer Jan Sebastian Friedrich-Rust.
Die Hilfsorganisation Handicap International (HI) lenkte den Blick auf die Psyche der Menschen: Viele litten „unter den plötzlichen Veränderungen, der Gewalt, Verletzungen und Krankheiten, Umsiedlung und Trennung und der Ungewissheit über die Zukunft. Der Verlust von Angehörigen und des Zuhauses und die Angst um die eigene Familie beeinträchtigen besonders die Entwicklung der Kinder“. Auch dürften Menschen mit Behinderung und Schwerverletzte nicht vergessen werden. Daher baue HI die psychologische Betreuung langfristig aus.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte sprach angesichts von einem Jahr Krieg von Kriegsverbrechen und „Barbarei“. Russland müsse sofort seine Truppen zurückziehen, den Raketenbeschuss einstellen und Menschen, darunter auch Kinder, die aus der Ukraine „verschleppt“ worden seien, wieder in ihre Heimat lassen.
Von Leticia Witte (KNA)
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