Korallenriff stirbt ab
Klima-Kipppunkt offenbar erreicht

Korallenriffe könnten bald verschwinden

Frankfurt  ‐ Forscher sehen ein erstes Kippen des globalen Klimasystems – betroffen sind Korallen. Ein neuer Report warnt vor einer Kettenreaktion. Doch er sieht auch Hoffnungsperspektiven – im gesellschaftlichen Wandel.

Erstellt: 15.10.2025
Aktualisiert: 14.10.2025
Lesedauer: 
Von Matthias Jöran Berntsen (KNA)

Die berühmten Korallenriffe in tropischen Gewässern wird es nach Ansicht von Klimaforschern wohl nicht mehr lange geben. Der Klimawandel auf der Erde hat jetzt einen ersten sogenannten Kipppunkt erreicht, wie Autoren des am Montag veröffentlichten „Global Tipping Points Report 2025“ in Frankfurt erklärten. Das Absterben zahlreicher tropischer Korallenriffe sei infolge steigender Temperaturen der Weltmeere nur noch unter größten Anstrengungen verhinderbar. Der Bericht geht zudem davon aus, dass sich die globale Durchschnittstemperatur in den kommenden Jahren um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erhöht haben werde.

Dann trete die Welt in eine Phase ein, in der das Überschreiten weiterer Klimakipppunkte riskiert werde, die dann wiederum weitreichende Folgen haben könnten. Dieses Überschreiten halten die Wissenschaftler in den nächsten Jahrzehnten für möglich, da diese bei etwa 1,5 Grad globaler Erwärmung liegen könnten.

Sie nennen den Kipppunkt des Amazonas-Regenwaldes, der eine Versteppung in Südamerika zur Folge hätte. Der Verlust von Eisschilden auf Grönland und in der Westantarktis würde demnach einen Meeresspiegel-Anstieg um mehrere Meter verursachen. Der Kipppunkt der Ozean-Zirkulation zwischen Europa und Amerika könnte mit einer starken Abkühlung des europäischen Kontinents einhergehen.

„Die verheerenden Folgen des Überschreitens von Klima-Kipppunkten bedrohen unsere Gesellschaften massiv“, sagte Co-Leitautor Nico Wunderling von der Goethe-Universität in Frankfurt. Es bestehe das Risiko, dass das Kippen eines Klimasystems das Kippen anderer Systeme auslöse oder beschleunige.

Auch positive Kipppunkte sind möglich

Unter einem solchen Kipppunkt verstehen die Autoren des Berichts nach eigenen Angaben das Erwärmungsniveau, ab dem solche Systeme selbstverstärkenden und oft unumkehrbaren Veränderungen unterliegen. Dann würden etwa viele der tropischen Korallenriffe absterben, selbst wenn die Menschheit die weitere Klimaerhitzung begrenzt. Rund zwei Dutzend Teilsysteme des globalen Klimasystems hätten solche Kipppunkte.

An dem Report waren den Angaben zufolge mehr als 100 Wissenschaftler aus über 20 Ländern beteiligt. Der Bericht wurde nun mit Blick auf die 30. Weltklimakonferenz veröffentlicht, die im November im brasilianischen Belem stattfindet.

Die Autoren der Studie verwiesen darauf, dass sie neben Kipppunkten im Klimasystem auch Kipppunkte in Gesellschaften wahrnehmen würden. Deren Überschreiten könne zu klimafreundlicherem Verhalten führen. So seien erneuerbare Energien global betrachtet oft günstiger als fossile Brennstoffe, auch verdrängten Elektrofahrzeuge mehr und mehr Verbrennerautos.

Auch die Einführung und Förderung klimafreundlicherer Technologien durch die Politik könnten positive Kipppunkte etwa beim Heizen oder im Transportwesen beschleunigen. Soziale Dynamiken könnten zudem dazu führen, dass die Mehrheit der Menschen ihren Fleischkonsum einschränkt oder ihr Mobilitätsverhalten verändert.

Mehr zum Thema