G20-Gipfel im Schatten von Trump
Rio de Janeiro ‐ Präsident Lula will in Rio über globalen Umweltschutz und Hungerbekämpfung reden, statt über Gaza und die Ukraine. Doch Trumps Triumph belastet den G20-Gipfel und wirft Schatten auf die Klimakonferenz im kommenden Jahr.
Aktualisiert: 14.11.2024
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Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hätte allen Grund zur Freude gehabt, als ihm sein US-Kollege Joe Biden am 7. November versprach, dem von Lula vorgeschlagenen globalen „Pakt gegen Hunger und Armut“ beizutreten. Dass Biden zudem auf dem Weg zum G20-Gipfel in Rio de Janeiro einen Halt in der brasilianischen Amazonas-Metropole Manaus einlegen will, wird als Unterstützung für Lulas Anstrengungen zum Schutz des größten Regenwaldes der Welt gewertet.
Der Kampf gegen Hunger und den Klimawandel – diese Themen sollen in der Abschlusserklärung von Rio als bleibendes Erbe der brasilianischen G20-Präsidentschaft festgeschrieben werden. Der am 18. und 19. November vor den Postkartenmotiven von Rio stattfindende G20-Gipfel soll zudem eine Art Krönungsmesse für Lula und die Rückkehr Brasiliens auf die globale Bühne werden.
Nach den Jahren der Selbstisolation unter dem Rechtspopulisten Jair Messias Bolsonaro (2019-2022), der weder von Armutsbekämpfung noch Umweltschutz etwas wissen wollte, will Lula nun mit diesen Themen auftrumpfen. Bereits in seinen ersten beiden Amtszeiten (2003-2010) hatte er in Brasilien Millionen Menschen aus der Armut befreit und die Rodungen am Amazonas reduziert. In seiner dritten und wohl letzten Amtszeit will er diese Themen auch global setzen – als persönliches Vermächtnis.
Für den passenden Rahmen sorgen derzeit Hunderte von Bauarbeitern, die die über Rios touristische Südzone verteilten Tagungsorte des G20-Gipfels und seiner zahlreichen Nebenveranstaltungen herrichten. Zwar werden Rios Bürger die Staatsgäste kaum zu Gesicht bekommen. Doch wegen G20 gibt es zusätzliche freie Tage, für die Strandwetter bis zu 32 Grad angesagt ist.
Die Erwartungen an den Gipfel haben sich dagegen eingetrübt. Das Timing ist denkbar schlecht, nur wenige Tage nach der alles auf den Kopf stellenden US-Wahl kommt mit Joe Biden ein Präsident auf Abschiedstour. Eine sogenannte „Lame Duck“, eine lahme Ente, die in wenigen Wochen von Donald Trump abgelöst wird, der sich wenig um die von Biden gemachten Zusagen für den Kampf gegen Hunger und die Klimakrise scheren wird.
Ein weiterer politischer Freund von Lula ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dem die sozial-ökologische Agenda des Brasilianers am Herzen liegt. Doch auch Scholz kommt als lahme Ente, nur wenige Tage bevor er voraussichtlich vor dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen wird.
Schwieriges Ringen um Konfliktthemen
Erst gar nicht nach Rio kommt Russlands Präsident Wladimir Putin, der fürchten muss, dass Brasiliens Justiz den Strafbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vollstrecken könnte. Putin soll für die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland verantwortlich sein.
Überhaupt werden die Konflikte in der Ukraine und in Nahost auf dem Gipfel neben Trump die großen Elefanten im Raum sein. Sie haben die gesamte G20-Präsidentschaft Brasiliens überschattet, wobei die westlichen Länder stets auf eine Verurteilung Russlands drängten. Im Nahost-Konflikt forderten dagegen die Länder des sogenannten „Globalen Südens“ auf eine Verurteilung des israelischen Vorgehens in Gaza. Ob und wie dies im Abschlussdokument von Rio gespiegelt wird, bereitet Diplomaten derzeit Kopfzerbrechen.
In beiden Konflikten hatte Lula recht tollpatschig seine neutrale Position als möglicher Vermittler verspielt. Seine Aversion gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde rasch offensichtlich, während er Putin mit Seidenhandschuhen anfasste. Und sein Vorwurf an Israel, einen Völkermord an den Palästinensern durchzuführen, hat die Beziehung der beiden Länder auf Eis gelegt. Man werde die beiden Konflikte in Rio nicht diskutieren, sagte Lula Anfang November.
Stattdessen seien die Vereinten Nationen zuständig, die Konflikte zu entschärfen, findet er. Da sie dazu derzeit nicht in der Lage sind, drängt Lula auf eine umfassende Reform der UN, wobei Brasilien als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates fungieren will. Doch eine UN-Reform liegt nicht im Interesse der fünf Veto-Mächte. Und so wird auch dieses Thema in Rio nicht vorankommen.
So konzentrierte Brasilien seine diplomatischen Bemühungen über das Jahr hinweg auf die Einführung einer Globalen Steuer für Superreiche von zwei Prozent. Milliardäre sollen so den „Pakt gegen Hunger und Armut“ finanzieren helfen. Dafür sind bei den G20 eigentlich alle, zumindest in der Theorie. Ob sie die Steuer dann tatsächlich auch einführen, steht auf einem anderen Blatt.
Zudem will Lula in Rio die Weichen im Klimaschutz stellen. Denn in einem Jahr richtet Brasilien die UN-Klimakonferenz COP30 aus. Doch ein Blick auf die derzeit in Aserbaidschan stattfindende COP29 lässt auch hier nichts Gutes erahnen. Nur vier G20-Staats- und Regierungschefs werden in diesen Tagen in Baku erwartet.
Auch dort ist Donald Trump der große Elefant im Raum. Er will auf Erdöl und Erdgas setzen, statt auf saubere Energie, und aus dem Pariser Klimaabkommen austreten – zum zweiten Mal bereits. Kein gutes Omen für Lulas COP30 in einem Jahr. Brasiliens Rückkehr auf die globale Bühne hatte sich der Brasilianer anders vorgestellt.