2023 war aus Sicht von Friedensforschern ein miserables Jahr
Friedensgutachten veröffentlicht

2023 war aus Sicht von Friedensforschern ein miserables Jahr

Berlin  ‐ Deutsche Friedensforscher ziehen eine ernüchternde Bilanz für das vergangene Jahr: Dieses werde negativ in die Geschichte eingehen. Das liegt an den Kriegen in Gaza und der Ukraine – aber nicht nur.

Erstellt: 11.06.2024
Aktualisiert: 11.06.2024
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Von Alexander Riedel (KNA)

Das vergangene Jahr war aus Sicht von deutschen Friedensforschern kein gutes. Es werde negativ in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die weltweiten Militärausgaben einen Höchststand erreicht hätten und es mehr Gewaltkonflikte als je zuvor gegeben habe, sagte Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg am Montag in Berlin bei der Vorstellung des diesjährigen „Friedensgutachtens“ mehrerer Forschungsinstitute. Zugleich sei 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen mit zahlreichen Klimaextremen gewesen.

Das Friedensgutachten wird jährlich vom Bonn International Centre for Conflict Studies, dem Leibniz-Institut Hessische Stiftung Frieden- und Konfliktforschung, dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und dem Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen herausgegeben.

„Seit Jahren taumelt die Welt von einer Krise in die nächste“, sagte Schröder weiter. Es gebe mehr Krieg und Gewalt, mehr Aufrüstung auf allen Seiten und mehr globale Konfrontation - und damit weniger Frieden. Zwar dominierten die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine die Berichterstattung in den Medien, doch mehr als die Hälfte aller Gewaltkonflikte spiele sich in Afrika südlich der Sahara ab, erinnerte die Friedensforscherin. Deutschland sollte sich etwa in der Sahelzone weiter diplomatisch und entwicklungspolitisch engagieren und Leitlinien für den Umgang mit Putschisten und Autokratien entwickeln.

Frieden sei in vielen Teilen der Welt in weite Ferne gerückt und Wege zum Frieden kaum erkennbar, beklagte Schröder. Demokratische Institutionen würden nachhaltig geschwächt, autoritäre und populistische Tendenzen nähmen zu. In der deutschen Politik vermisse man eine langfristige und weitsichtige Gestaltung mit Mut zur Transformation. Gerade wenn kurzfristige Erfolge unwahrscheinlich seien, müssten politische Strategien mit langem Atem entwickelt werden.

Forscher: Druck auf Russland aufrechterhalten

Mit Blick auf den Gazakrieg sei etwa allen Widerständen zum Trotz ein politischer Prozess nötig, sagte Schröder. Notwendige erste Schritte wären die sofortige Freilassung aller von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln und ein humanitärer Waffenstillstand. Langfristig sei es richtig, Palästina als Staat anzuerkennen. Dies sei eine diplomatische Karte, die die Bundesregierung spielen solle, um einen künftigen Friedensprozess voranzutreiben. Eine Zwei-Staaten-Lösung solle nicht erst Ergebnis eines finalen Friedensabkommens sein.

Zugleich verurteilen die Friedensforscher in ihrem Gutachten den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 als völkerrechtswidrig. Aber auch das militärische Vorgehen Israels im Anschluss kritisierten sie. Die Bundesregierung müsse darauf hinwirken, dass Entscheidungen internationaler Gerichte befolgt würden. Zudem sollten bis zum Ende des Kriegs weder Klein- noch Leichtwaffen oder Munition, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten, nach Israel exportiert werden, fordern die Forscher.

In Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sehen die Friedensforscher weiterhin die Notwendigkeit, die Ukraine militärisch zu unterstützen. „Westliche Verbündete können Verhandlungschancen durch unterschiedliche Maßnahmen erhöhen. Dazu zählt, den Druck auf Russland durch militärische Unterstützung wie auch Sanktionen aufrechtzuerhalten, um die Plausibilität eines militärischen Siegs auch in Russlands Perspektive zu zerstören. Nur dann wird sich Russland auf Verhandlungen einlassen“, heißt es in dem Gutachten. Derzeit zeigten beide Kriegsparteien, vor allem aber Russland, keine Bereitschaft zu offenen Verhandlungen. 

Eine geplante Friedenskonferenz in der Schweiz am kommenden Wochenende sehen die Forscher als Chance. Ein Ergebnis müsse sein, Friedensverhandlungen überhaupt denkbar erscheinen zu lassen. „Es braucht einen Fahrplan für einen späteren Verhandlungsprozess“, so Schröder.

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