Bolsonaro am Ende?
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Brasiliens Ex-Präsident darf bis 2030 nicht mehr kandidieren

Bolsonaro am Ende?

Rio de Janeiro ‐ Brasiliens populistischer Ex-Präsident Jair Bolsonaro wird für acht Jahre keine öffentlichen Ämter ausüben. Er kann Berufung gegen das Urteil einlegen – doch Verschwörungstheorien sind nicht der einzige Vorwurf.

Erstellt: 03.07.2023
Aktualisiert: 03.07.2023
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Von Thomas Milz (KNA)

Der brasilianische Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr für öffentliche Ämter kandidieren. Am Freitagabend (Ortszeit) verurteilte ihn das Oberste Wahlgericht des Landes wegen Amtsmissbrauch zum achtjährigen Entzug des passiven Wahlrechts, wie Medien berichteten. Die erwarteten Proteste zugunsten des Rechtspopulisten auf den Straßen blieben jedoch aus. Einige Beobachter glauben bereits an das Ende seiner politischen Karriere.

Mit 5 zu 2 Stimmen befanden die Richter Bolsonaro für schuldig, am 18. Juli vergangenes Jahr vor Botschaftern aus mehreren Ländern Lügen über das brasilianische Wahlsystem verbreitet zu haben. So hatte Bolsonaro den verdutzten Diplomaten erklärt, die elektronischen Wahlurnen seien so manipuliert, dass Herausforderer Luiz Inacio Lula da Silva gewinnen werde. Teil des Komplotts sei Brasiliens Wahljustiz, die ihn stürzen wolle.

Ende Oktober unterlag Bolsonaro dem linken Herausforderer Lula knapp. Am 8. Januar dieses Jahres hatten fanatische Anhänger des Ex-Militärs das Regierungsviertel in der Hauptstadt Brasilia gestürmt. Sie behaupteten, dass Bolsonaro in Wahrheit die Wahlen gewonnen habe. Sowohl Bolsonaros „Fake News“ über das Wahlsystem wie auch der Sturm in Brasilia erinnert an die Vorkommnisse in den USA, wo Bolsonaros Konterpart Donald Trump ebenfalls mit Verschwörungstheorien rund um seine Wahlniederlage provozierte, die im Capitolsturm am 6. Januar 2021 mündeten.

Noch 15 weitere Prozesse anhängig

Bolsonaro kann noch Berufung gegen das nun ergangene Urteil einlegen. Allerdings liegen alleine beim Wahlgericht 15 weitere Prozesse gegen ihn vor. Zudem wird er sich in mehreren Prozessen vor anderen Instanzen unter anderem wegen eines Umsturzversuchs, der Fälschung von Corona-Impfausweisen, der Verbreitung von Falschmeldungen über das Coronavirus sowie dem Schmuggel von Millionen Dollar teurem Schmuck von Saudi-Arabien nach Brasilien verantworten müssen. Auch Haftstrafen sind dabei möglich.

So spekulieren politische Beobachter bereits, dass Bolsonaros politische Karriere zu Ende sei. Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus den Streitkräften Ende der 1980er Jahre war er in die Politik gegangen. Rund drei Jahrzehnte galt er dort als Hinterbänkler, der nur durch Beleidigungen und Hasstiraden gegen politische Gegner auffiel. Landesweit bekannt wurde er während des Amtsenthebungsverfahrens gegen die linke Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr 2016, als er sein Votum einem brutalen Folterer der Diktaturzeit (1964-1985) widmete.

Im Wahlkampf 2018 wurde er von einem geistig Verwirrten mit einem Messer attackiert. Er überlebte schwer verletzt, konnte aufgrund der ihm nun entgegenschlagenden Sympathien gar die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Dabei kam ihm zugute, dass der klar favorisierte Ex-Präsident Lula wegen einer Korruptionsverurteilung aus dem Rennen genommen wurde.

Zahlreiche Skandale

In seiner turbulenten Amtszeit war Bolsonaro in zahlreiche Skandale verwickelt. Gegen seine Söhne, die ebenfalls Berufspolitiker sind, liegen etwa Korruptionsvorwürfe vor. Um sie zu schützen, soll Bolsonaro in polizeiliche Ermittlungen eingegriffen haben. Während der Pandemie, deren Gefährlichkeit er leugnete, kamen in Brasilien mehr als 700.000 Personen ums Leben. Auch fiel Bolsonaro immer wieder durch Angriffe auf demokratische Institutionen auf, denen er mit einem Putsch drohte.

Das nun gegen ihn ergangene Urteile bezeichnete er als Dolchstoß in den Rücken“, wohl auch in Anspielung auf die Messerattacke in 2018. Im Parlament äußerten mit ihm verbündete Abgeordnete am Freitagabend die Absicht, ein Gesetz auf den Weg bringen zu wollen, um Bolsonaros Verurteilung aufzuheben. Allerdings erklärten sich wenige Politiker solidarisch mit dem Ex-Präsidenten; Proteste zu seinen Gunsten blieben zudem aus. Längst haben andere Politiker das von Bolsonaro hinterlassene politische Vakuum am rechten Rand ausgefüllt. Für diesen bleibt bis auf Weiteres wohl höchstens die Aufgabe, ihnen in zukünftigen Wahlkämpfen beim Stimmenfang zur Seite zu stehen.

KNA

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