60 Tage Hausarrest für Abt des Kiewer Höhlenklosters
Kiew ‐ In Kiew eskaliert die Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche. Ein Gericht entschied nun, dass der Vorsteher des Höhlenklosters zwei Monate lang sein Privathaus nicht verlassen darf.
Aktualisiert: 03.04.2023
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Wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs hat ein Kiewer Gericht den Abt des Höhlenklosters in der ukrainischen Hauptstadt unter Hausarrest gestellt. Der Richter entschied am Samstagabend laut dem Nachrichtenportal „Ukrajinska Prawda“, dass Abt Metropolit Pawlo bis 30. Mai seinen Landsitz in Woronkiw nicht verlassen darf. Das Dorf liegt mehr als 20 Kilometer südöstlich von Kiew. Sein Aufenthalt werde mit Hilfe einer elektronischen Fessel kontrolliert.
Das Urteil trifft den Abt mitten im Streit zwischen seiner Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) und der Regierung um das Höhlenkloster. Pawlo und Dutzende Mönche ignorieren seit Tagen, dass die Regierung den Pachtvertrag zum 29. März gekündigt hatte. Sie weigern sich, das bedeutendste orthodoxe Heiligtum der Ukraine zu räumen. Die Ordensmänner kündigten an, das Kloster ohne ein entsprechendes Gerichtsurteil nicht zu verlassen. Dieser Konflikt wird vor einem anderen Gericht ausgetragen.
Pawlo wies die Anschuldigungen gegen ihn in der Verhandlung am Samstag zurück. Er habe nie aufseiten der russischen Aggression gestanden. Der Abt sorgt seit Jahren mit pro-russischen Botschaften für Aufsehen. Das Gericht folgte mit seiner Entscheidung dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
In dem Strafverfahren ging es zunächst nur um vorläufige Maßnahmen. Es bestehe Fluchtgefahr, so die Staatsanwaltschaft. Zudem könne der Angeklagte Druck auf Zeugen ausüben und Beweismaterial zerstören oder fälschen, wenn er auf freiem Fuß bliebe. Anstiftung zu religiösem Hass kann in der Ukraine mit bis zu fünf Jahren Haft und Rechtfertigung oder Leugnung der russischen Aggression mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Ermittler durchsuchten auch Pawlos Haus.
Das 1051 gegründete Höhlenkloster gilt als die Wiege der ostslawischen Orthodoxie. In ihm lebten bislang rund 200 Mönche; die Leitung der UOK hat hier ihren Sitz, ebenso deren wichtigste Bildungsstätte, die Theologische Akademie. Der Klosterkomplex gehört wie viele andere ukrainische Gotteshäuser dem Staat. Die Kündigung des 2013 geschlossenen Pachtvertrags begründete das Kulturministerium mit Verstößen gegen die Nutzungsbestimmungen. Auf dem Klostergelände seien mehrere Gebäude ohne Genehmigung errichtet worden. Als politisches Motiv sehen Beobachter mutmaßliche Fälle von Kollaboration mit Russland.
Der Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU, Wassyl Maljuk, betonte am Samstag, das Gesetz sei für alle gleich. Russland versuche, im kirchlichen Umfeld seine Propaganda zu verbreiten und die ukrainische Gesellschaft zu spalten.
Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK) unterstand lange dem Moskauer Patriarchen Kyrill I., der Russlands Krieg gegen die Ukraine unterstützt. Erst im Mai 2022 sagte sie sich von ihm los und erklärte sich für unabhängig. Dieser Schritt wird aber von der Regierung angezweifelt.
In der Ukraine streiten seit Jahren zwei orthodoxe Kirchen um die Vorherrschaft. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und orthodoxen Ehrenoberhaupts Bartholomaios I. gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine. Sie ging aus zwei Konfessionen hervor, die sich bereits vor mehr als 30 Jahren vom Moskauer Patriarchat getrennt hatten. Diese Kirche will das Höhlenkloster übernehmen.