Misereor: Amazonas-Synode geht nicht gegen Bolsonaro

Misereor: Amazonas-Synode geht nicht gegen Bolsonaro

Brasilien ‐ Die Amazonas-Synode stößt der neuen Regierung Brasiliens bitter auf: Laut Medienberichten wittert der brasilianische Geheimdienst oppositionelle klerikale Kräfte hinter dem Bischofstreffen, die das Land international diskreditieren könnten. Brasilien-Referentin Regina Reinart von Misereor erklärt, worum es bei der Synode eigentlich geht.

Erstellt: 14.02.2019
Aktualisiert: 14.02.2019
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Die Amazonas-Synode stößt der neuen Regierung Brasiliens bitter auf: Laut Medienberichten wittert der brasilianische Geheimdienst oppositionelle klerikale Kräfte hinter dem Bischofstreffen, die das Land international diskreditieren könnten. Brasilien-Referentin Regina Reinart von Misereor erklärt, worum es bei der Synode eigentlich geht.

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Frage: Frau Reinart, in Brasilien kursiert ein Bericht des Geheimdienstes, der die geplante Amazonas-Synode im Herbst als Angriff auf die Regierung von Präsident Bolsonaro bewertet. Was hat es damit auf sich?

Reinart: In dem Bericht wird gewarnt, dass der Klerus in Rom gegen die derzeitige Regierung Brasiliens Pläne schmiedet. Das Amazonas-Thema sei ein internes Thema, das in Brasilien besprochen werden solle und nicht in Rom, so Brasiliens Tageszeitung „O Estado“, in der Augusto Heleno, Eduardo Villas Boas und Hamiton Mourao vom brasilianischen Militär zu Wort kommen. Sie bitten sogar um eine Einladung der brasilianischen Regierung zur Amazonas-Synode in Rom. Die brasilianische Regierung macht sich damit lächerlich, denn es ist kein rein brasilianisches Thema: beim Amazonasgebiet handelt es sich um insgesamt neun Staaten. Es müssten also wenn dann Regierungsvertreter aus allen Ländern eingeladen werden. Außerdem – so betont es der Amazonas-Bischof Erwin Kräutler – ist eine Bischofssynode für Bischöfe und nicht für Staatsgäste. Immerhin ist die brasilianische Öffentlichkeit durch diesen Bericht aber auf die Amazonas-Synode aufmerksam geworden. Denn Dom Roque Paloschi, der Präsident der CNBB-Fachstelle für Indigene (CIMI), sagt klar, worum es geht: um die Stärkung derer, denen die Rechte negiert werden, sprich die Indigenen.

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„Die Amazonas-Synode ist politisch. Das wird kein Händchenhalten.“

—  Zitat: Regina Reinart, Brasilienreferentin von Misereor

Frage: Die vorbereitenden Organisationen wie REPAM und einzelne Bischöfe stehen aber durchaus in Opposition zur Regierung und machen das auch öffentlich klar. Der Vorwurf ist also nicht ganz haltlos, oder?

Reinart: Die Mitglieder der Amazonas-Synode beziehen sich immer wieder auf die brasilianische Verfassung mit Artikel 231 und 232: Den Indigenen gehören die Territorien, die sie seit Jahrhunderten bewohnen. Dieser in der Verfassung verwurzelten Aussage muss die Regierung gerecht werden. Stattdessen erleben wir Vertreibungen der Indigenen und die Morde an Menschenrechtlern sind in die Höhe geschossen. Das geht nicht gegen Bolsonaro, aber für die Menschen, die unterdrückt werden. Wir von Misereor haben während des Wahlkampfes die Brasilianische Bischofskonferenz als sehr vorsichtig und dialogbereit erlebt – fast war sie uns zu sanft. Die kirchlichen Fachstellen für Indigene wie CIMI wurden da schon deutlicher. Doch auch sie haben immer gründlich recherchiert und ausgewogen berichtet.

Frage: Wodurch fühlen sich die Indigenen bezüglich der neuen Regierung von Jair Bolsonaro bedroht?

Reinart: Bolsonaro hat schon im Wahlkampf gesagt: Wenn ich gewinne, werde ich den Indigenen keinen weiteren Zentimeter Stück Land zusprechen – obwohl diese Territorien laut Verfassung den Indigenen zustehen. Ab 1. Januar hat er dann das Ministerium für Menschenrechte in das Familien- und Frauenministerium integriert, dessen Ministerin Damares Alves eher eine anti-indigene Linie verfolgt. Und die neue Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina ist eine Agrarlobbyistin aus dem Bundesstaat Mato Grosso do Sul und unterstützt den Gesetzentwurf 6299/02, welcher die Regeln für den Einsatz von Agrochemikalien lockern sollte. Bolsonaro ist gerade mal sechs Wochen im Amt, und wir müssen befürchten, dass da viel Land im Amazonas freigegeben wird. Er verspricht den Ausverkauf des Amazonas. In Davos hat er ja für Privatisierung und Wirtschaftsöffnung geworben.

Frage: Auch der Gouverneur des Bundesstaates Amazonas, Wilson Lima, kommt aus dem politischen Lager Bolsonaros.

Reinart: Wir sind wirklich sehr besorgt. Und nun behauptet die Regierung, sie sei besorgt aufgrund eines zu progressiven Klerus. Wo bleibt da die Demokratie? Wo bleibt der Dialog? Wir müssen lernen, diesen besser zu gestalten. Definitiv ist diese Amazonas-Synode kein Anti-Bolsonaro-Programm. Uns geht es um die Sache: den Schutz der Indigenen, die Bewahrung der Schöpfung im Sinne der Umwelt-Enzyklika Laudato si', an der Bischof Erwin Kräutler mitgewirkt hat. Und es geht uns um innerkirchliche Fragen, die Gestaltung von Liturgie, indigenen Ortskirchen und wie Bischöfe Territorien verwalten können, die so groß sind wie Bayern.

Frage: Trotzdem noch mal die Frage: Wie politisch ist die Amazonas-Synode?

Reinart: Die Amazonas-Synode ist politisch, weil es auch um den Schutz der Menschenrechte im Kontext von Großprojekten geht. Man denke an den Belo Monte-Staudamm, wo auch deutsche Firmen mitgewirkt haben, oder die Staudammbrüche in Mariana und Brumadinho, das hierfür verantwortliche Bergbauunternehmen Vale unterhält auch im Amazonasgebiet Minen. Die internationalen Unternehmen müssen zur Rechenschaft gezogen werden und man muss auf die Menschenrechte pochen. Insofern ist das hier kein Händchenhalten.

Frage: Papst Franziskus hat die Synode ja ausgerufen. Welche Rolle spielt er in dieser ideologischen Auseinandersetzung? Ihm wird ja oft unterstellt, ein „linker“ Papst zu sein.

Reinart: Als lateinamerikanischer Papst hat er den globalen Süden im Blick. Bei seinen Lateinamerikareisen hat er immer wieder Indigene getroffen und es ist ihm ein Anliegen, für ihren Schutz und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Die Umsetzung seiner Enzyklika geht weiter und macht sich nun auch an der Amazonas-Synode fest.

Frage: Franziskus hat aber auch dem inhaftierten Ex-Präsidenten Lula in Brasilien eine wohlwollende Nachricht geschickt. Stört das die Bolsonaro-Regierung?

Reinart: Man darf sich ja wohl mit einem Gefangenen solidarisch erklären – im Evangelium steht, man soll die Gefangenen besuchen. Der Papst hat sich solidarisch erklärt mit dem politischen Gefangenen Lula und das ist nicht unbedingt contra Bolsonaro. Dem Papst geht es hier wohl in erster Linie um das Evangelium. Wenn Bolsonaro das als Ex-Katholik persönlich nimmt, ist das seine Interpretation.

Frage: Kommt hier auch ein kirchlicher Konflikt zum Vorschein? Immerhin steht Bolsonaro mittlerweile den Freikirchlern nahe, während Bischof Erwin Kräutler etwa dem linken Klerus zugeordnet wird.

Reinart: An diesem Geheimdienstbericht kann man tatsächlich diesen Konflikt festmachen. Bolsonaro hat in seinem Wahlkampf an keiner öffentlichen Debatte teilgenommen – laut ihm aus Sicherheitsgründen, weil er eine Messerattacke erlitten hatte. Gleichzeitig hat er an einem der größten Fernsehsender des Landes – einer freikirchlichen TV-Station – ein Interview gegeben. Damit hat er klar gemacht, auf welcher Seite er steht. Ich habe selber 12 Jahre in Brasilien gelebt und auf meiner kleinen Straße befanden sich auf 500 Metern rund 8 Freikirchen. Man muss die Ökumene natürlich fördern und wir sind auch offen dafür. Aber es ist manchmal sehr schwierig, über Menschenrechte zu sprechen, ohne von der anderen Seite gleich als Aktivist abgestempelt zu werden.

Frage: Sie haben in Brasilien gelebt und stehen in engem Kontakt mit dem Menschen vor Ort. Haben diese nun Angst in Bezug auf Menschenrechtsarbeit und die Synode?

Reinart: Die Situation ist angespannt und Familien sind zum Teil politisch gespalten. In einem Monat jährt sich der Todestag der Menschenrechtlerin Marielle Franco in Rio de Janeiro zum ersten Mal. Bereits am 12. Februar 2005 wurde die Ordensschwester Dorothy Stang brutal ermordet, die sich für die Landlosen im Amazonasgebiet einsetzte. Sie ist eine von vielen Märtyrerinnen des Amazonas. REPAM ist somit nicht weniger und nicht mehr in Gefahr als vorher. Vor allem in Gefahr sind aber die Kleinbauernfamilien und die Indigenen. In vielen Regionen wird die Amazonas-Synode nicht wirklich wahrgenommen. Es wird interessant, wie die Empfehlungen der Amazonas-Synode in Rom vor Ort in den neun Ländern des Amazonas umgesetzt werden.

Frage: Welche Befürchtung haben Sie bezüglich des weiteren Vorgehens der Regierung? Sind Organisationen wie REPAM nun in Gefahr?

Reinart: 2014 wurde das Netzwerk REPAM gegründet. Seit vielen Jahren gibt es für die Synode bereits Vortreffen. Die Menschen werden vorsichtig sein, wen sie dorthin einladen. Es wird auch die Kreativität der Lateinamerikaner gefragt sein, die Treffen vielleicht auch unter anderem Namen stattfinden zu lassen. Aber noch mal: Es ist keine interne Angelegenheit – der Schutz Amazoniens geht uns alle an!

Das Interview führte Claudia Zeisel.

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