Mega-Staudamm am Amazonas hält seine Versprechen nicht

Mega-Staudamm am Amazonas hält seine Versprechen nicht

Brasilien ‐ Bei der Bonner Weltklimakonferenz preist Brasilien seinen dank Wasserkraft sauberen Energiemix an. Doch an Mega-Staudämmen wie Belo Monte leiden Natur und Menschen.

Erstellt: 13.11.2017
Aktualisiert: 13.11.2017
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Bei der Bonner Weltklimakonferenz preist Brasilien seinen dank Wasserkraft sauberen Energiemix an. Doch an Mega-Staudämmen wie Belo Monte leiden Natur und Menschen.

Mitte September entzog ein Gericht dem Baukonsortium Norte Energia mal wieder die Baulizenz für den Mega-Staudamm Belo Monte. Die bereits 2011 zugesagten Sozialauflagen, Bedingung für den Bau des drittgrößten Wasserkraftwerks der Welt, seien immer noch nicht erfüllt. Dabei sollten sie die Auswirkungen auf Mensch und Natur am Amazonasfluss Xingu abfedern. 12 von 24 Turbinen sind bereits in Betrieb.

Rund 68 Prozent seines Stroms bezieht Brasilien aus Wasserkraft, vor allem aus den Flüssen im Amazonaswald. Doch statt für saubere Energie zu werben, machen derzeit die milliardenteuren Dämme Jirau und Santo Antonio am Rio Madeira Schlagzeilen. Konstruktionsfehler. Korruption. Auch der Belo-Monte-Damm am Xingu produziert mehr negative Schlagzeilen als Energie.

Zu Baubeginn 2011 hatte der Betreiber eine Milliarde Dollar für die Umsiedlung der Anwohner zugesagt. Geschehen ist wenig. Man streitet noch mit Anwohnervereinigungen darum, wer überhaupt neue Wohnungen in der Stadt Altamira bekommt. Norte Energia geht von rund 20.000 Betroffenen aus, Nichtregierungsorganisationen von doppelt so vielen.

Auch aus der Bedingung, in Altamira ein Abwassersystem zu bauen, wurde nichts. 2016 entzog ein Gericht dem Betreiber deshalb schon einmal die Baulizenz. Eines von Dutzenden Urteilen, die das Milliardenprojekt verzögerten, jedoch nicht aufhalten konnten.

Schon seit den 70er Jahren haben Indigene, Umweltschützer und die katholische Kirche gegen das Projekt gekämpft. Allen voran „Amazonasbischof“ Erwin Kräutler, der eine Katastrophe für Mensch und Umwelt prophezeite. Das „pharaonische Projekt“, das das Wasservolumen des Xingu um 80 Prozent verringert, sei „ein Monument der Geisteskrankheit“, so Kräutler.

Die Folgen für den nun in Beton eingezwängten Xingu sind offensichtlich. 2016 verhängten Umweltbehörden Strafen gegen die Betreiber – nach einem massiven Fischsterben. Binnen eines Jahres halbierte sich die Zahl der Fische. Auch Flussschildkröten und andere Tierarten sind bedroht. Schuld sollen Planungsfehler beim Bau sein.

Einen hohen Preis bezahlten auch die rund 4.000 Indigenen in der Region. 13 Reservate sind von Überschwemmungen betroffen. Verschwinden nun die Fische, verlieren sie eine weitere Existenzgrundlage. In dem als Ausgleich eingerichteten Schutzgebiet Cachoeira Seca ist derweil die Holzmafia aktiv, betreibt dort unbehelligt Raubbau. Das Schutzgebiet ist das landesweit am stärksten von Abholzung betroffene.

Auch vor sozialen Folgen für die Bewohner Altamiras hatte Kräutler gewarnt. Zu Baubeginn zogen rund 30.000 Menschen in die Region. Nun, da die Arbeiten zu 96 Prozent abgeschlossen sind, ist die Stadt von Arbeitslosigkeit, Prostitution und Gewalt geprägt. Die Mordrate lag zuletzt viermal so hoch wie im Landesdurchschnitt.

Viel Glück hat der Damm bislang auch den Betreibern nicht gebracht. Sie sollen rund 30 Prozent der über zehn Milliarden Euro Investitionen in das Projekt gesteckt haben; der Rest kam als Kredite von Staatsbanken. Seit Mai 2016 erzeugen zwar 12 Turbinen Strom; doch damit bis Mitte 2020 alle 24 arbeiten, fehlen weitere Milliardeninvestitionen.

Immer mehr Zweifel an der Wirtschaftlichkeit kommen auf. Denn die Maximalleistung von 11.233 Megawatt wird nur in der Regenzeit produziert; im Jahresdurchschnitt dürften es nur 4.000 Megawatt sein. Es drohen Milliardenverluste. Anfang 2017 gab es Meldungen über ein Interesse chinesischer Investoren. Sie sollen sich aber aus Angst vor dem juristischen Chaos rund um den Damm wieder zurückgezogen haben.

Derzeit plant die Regierung deshalb die Privatisierung des staatlichen Stromanbieters Eletrobras, der 15 Prozent an Belo Monte hält. Doch der schleppt Finanzrisiken von 30 Milliarden Euro mit; ein Großteil davon ist mit den Dämmen Jirau, Santo Antonio und Belo Monte verknüpft. Probleme gibt es auch beim Bau der Stromtrassen. Nachdem ein spanisches Unternehmen 2015 ausstieg, sollen nun chinesische Betriebe bis 2019 die Tausende Kilometer langen Netze bis nach Südbrasilien bauen.

Als wäre dies alles nicht schon abenteuerlich genug, greift auch noch der kanadische Minenkonzern Belo Sun Mining Corporation ins Geschehen ein. Über die nächsten zwölf Jahre will er die rund um Belo Monte vermuteten Goldvorkommen ausbeuten. Drei Indigenen-Gebieten sowie 300 Fischerfamilien entlang des Xingu droht die Vertreibung.