Frage: Wann wäre aus Ihrer Sicht die Synode ein Erfolg?
Spiegel: Die Synode wäre ein Erfolg für die Kirche, wenn neue Wege eingeschlagen würden, die den vielfältigen Herausforderungen sozialer und ökologischer Art, dem Glauben, dem Zusammenhalt der Völker, die heute am Amazonas leben, gerecht werden. Und wenn Christinnen und Christen außerhalb von Lateinamerika von dem inspiriert werden, was „Kirche sein“ am Amazonas bedeutet.
Frage: Sind auch Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft denkbar?
Spiegel: Das jetzige Wirtschaftsmodell, mit dem wir auf unserem Planeten unterwegs sind, bräuchte mindestens zwei Erdplaneten. In Deutschland war der Erdüberlastungstag – der Tag, an dem die nachhaltig nutzbaren Ressourcen eines Jahres verbraucht sind – bereits Anfang Mai, daher bräuchten wir hierzulande sogar drei Erdplaneten. Das heißt, wir in Deutschland verbrauchen von dem, was der gesamten Erde als Gemeinwohl gehört, wesentlich mehr, als uns zusteht. Auf der Amazonas-Synode wird es auch darum gehen, wie wir Modelle bestärken beziehungsweise anstoßen können, die die planetarischen Grenzen respektieren, die die Lebensqualität respektieren und die Solidarität. Dazu liegt ja bereits einiges in Politik, in Wirtschaft und Landwirtschaft auf dem Tisch. Auf der Synode geht es darum, die Ämterfrage nicht abstrakt um irgendeiner Reform willen zu diskutieren, sondern um den heutigen Bedrohungen des Lebens von Menschen und Natur als Kirche besser begegnen zu können. Kirche ist in ihrer bisherigen Arbeitsweise weder organisatorisch noch theologisch ausreichend präsent.
Frage: Können Sie sich eine Wechselwirkung zwischen der Amazonas-Synode und dem, was hier in Deutschland diskutiert wird, vorstellen?
Spiegel: Zunächst einmal ist wichtig, dass wir mit unseren Fragen, die wir in der deutschen und europäischen Kirche haben, nicht die Amazonas-Synode instrumentalisieren. Zugleich gibt es eine begriffliche Nähe zum geplanten „synodalen Weg“ in Deutschland. „Synodos“ heißt „gemeinsam gehen“ – und dabei den Glauben und die Tradition im Blick zu haben und die Bedürfnisse, die wir als Kirche und Gesellschaft spüren, um die Botschaft Jesu weiter präsent zu halten.
Frage: Geht es ein wenig konkreter?
Spiegel: Es wird in beiden Fällen auch um den Zugang zum Amt gehen – wobei die jeweilige Ausgangslage natürlich unterschiedlich ist. Was die Amazonas-Synode anbelangt, ist im Konsultations- wie auch im Arbeitsdokument davon die Rede, kirchliche Ämter auch von den Erfordernissen der Situation Amazoniens her zu denken. Dabei wird übersetzt an Männer gedacht, die ein authentisches Glaubensleben führen und auf Vorschlag der Gemeinde für ihre Region geweiht werden. Diese Frage ist in ähnlicher Weise auch in Deutschland auf der Agenda. Und dann geht es um den Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern. Wird es beispielsweise eine Weihe von Diakoninnen geben? Es ist an der Zeit, diese Herausforderungen ehrlich und transparent anzugehen.