Frage: Papst Franziskus hat die Synode ja ausgerufen. Welche Rolle spielt er in dieser ideologischen Auseinandersetzung? Ihm wird ja oft unterstellt, ein „linker“ Papst zu sein.
Reinart: Als lateinamerikanischer Papst hat er den globalen Süden im Blick. Bei seinen Lateinamerikareisen hat er immer wieder Indigene getroffen und es ist ihm ein Anliegen, für ihren Schutz und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Die Umsetzung seiner Enzyklika geht weiter und macht sich nun auch an der Amazonas-Synode fest.
Frage: Franziskus hat aber auch dem inhaftierten Ex-Präsidenten Lula in Brasilien eine wohlwollende Nachricht geschickt. Stört das die Bolsonaro-Regierung?
Reinart: Man darf sich ja wohl mit einem Gefangenen solidarisch erklären – im Evangelium steht, man soll die Gefangenen besuchen. Der Papst hat sich solidarisch erklärt mit dem politischen Gefangenen Lula und das ist nicht unbedingt contra Bolsonaro. Dem Papst geht es hier wohl in erster Linie um das Evangelium. Wenn Bolsonaro das als Ex-Katholik persönlich nimmt, ist das seine Interpretation.
Frage: Kommt hier auch ein kirchlicher Konflikt zum Vorschein? Immerhin steht Bolsonaro mittlerweile den Freikirchlern nahe, während Bischof Erwin Kräutler etwa dem linken Klerus zugeordnet wird.
Reinart: An diesem Geheimdienstbericht kann man tatsächlich diesen Konflikt festmachen. Bolsonaro hat in seinem Wahlkampf an keiner öffentlichen Debatte teilgenommen – laut ihm aus Sicherheitsgründen, weil er eine Messerattacke erlitten hatte. Gleichzeitig hat er an einem der größten Fernsehsender des Landes – einer freikirchlichen TV-Station – ein Interview gegeben. Damit hat er klar gemacht, auf welcher Seite er steht. Ich habe selber 12 Jahre in Brasilien gelebt und auf meiner kleinen Straße befanden sich auf 500 Metern rund 8 Freikirchen. Man muss die Ökumene natürlich fördern und wir sind auch offen dafür. Aber es ist manchmal sehr schwierig, über Menschenrechte zu sprechen, ohne von der anderen Seite gleich als Aktivist abgestempelt zu werden.