Blick auf einen Kirchturm in Bethlehem (Palästinensische Gebiete) am 22. Dezember 2023. Eine schwarze Katze läuft vorbei.
Roms diplomatische Beziehungen im Heiligen Land sind einmalig

Wie der Vatikan Palästina anerkannte

In vielen Ländern tobt derzeit die Debatte um eine Anerkennung Palästinas als Staat. Manche Blicke richten sich dabei auf den Vatikan, denn der hat die Anerkennung schon früh vollzogen.

Erstellt: 26.09.2025
Aktualisiert: 25.09.2025
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Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Kein anderes Völkerrechtssubjekt hat Palästina so früh anerkannt wie der Heilige Stuhl. Im offiziellen vatikanischen Verzeichnis der Päpstlichen Auslandsvertretungen findet sich schon seit vielen Jahrzehnten ein Eintrag mit dem Titel „Jerusalem und Palästina“, dahinter steht in Klammern ein Datum: 11. Februar 1948.

Mit diesem Eintrag erinnert der Vatikan bis heute daran, dass Papst Pius XII. bereits im Februar 1948 das damals schon als Palästina bezeichnete Gebiet frühzeitig anerkannte und einen Kirchen-Diplomaten im Rang eines „Apostolischen Delegaten“ nach Jerusalem entsandte. Erst drei Monate später rief David Ben Gurion die Existenz eines Staates Israel aus.

Die teils kirchliche, teils völkerrechtliche Institution eines Apostolischen Delegaten in Jerusalem überdauerte die wechselvolle Geschichte in der Region, die von der Kirche meist als „Heiliges Land“ bezeichnet wird. In allen Aufständen und Kriegen, Eroberungen und Vertreibungen versuchte der Delegat des Papstes, eine vermittelnde Rolle einzunehmen. Dabei wurde er zwangsläufig zu einer Art Vermittlungszentrale für die zunächst noch zahlreichen, inzwischen immer weniger werdenden Christen unterschiedlicher Konfessionen vor Ort. Bis heute sprechen die meisten Christen im Heiligen Land arabisch, die Mehrheit definiert sich als Palästinenser.

Mit dem durch Besiedlung und Kriegsführung stetig wachsenden Staat Israel nahm der Vatikan erst sehr viel später diplomatische Beziehungen auf. Erst mussten durch die Konzils-Erklärung „Nostra aetate“ 1965 sowie durch mehrere historische Gesten von Papst Johannes Paul II. die über Jahrhunderte vergifteten Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum bereinigt werden.

Dabei gingen der religiöse Dialog zwischen Judentum und Kirche und der diplomatische Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel Hand in Hand. So erwähnte der Vatikan 1984 den Staat Israel erstmals in einem offiziellen Dokument, zwei Jahre später besuchte Johannes Paul II. die Synagoge in Rom und nannte die Juden die „älteren Brüder im Glauben“. 1993 wurde dann nach langen, komplizierten Verhandlungen ein Grundlagenvertrag zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet, im Jahr darauf folgte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Der Apostolische Delegat in Jerusalem übernahm seither praktischerweise in Personalunion auch die Aufgabe des Papst-Botschafters (Apostolischer Nuntius) in Israel – mit zusätzlichem Dienstsitz in Tel Aviv. Diese Doppelfunktion eines Papstvertreters in Israel und in Palästina ist ein weltweit einmaliges Konstrukt auf der diplomatischen Bühne.

Auf der Gegenseite in Rom wurde eine israelische Botschaft „beim Heiligen Stuhl“ eingerichtet. Die Botschafter Israels haben seither stets eine sehr aktive politische Rolle eingenommen und sich bei Bedarf immer wieder auch kritisch zu päpstlichen Stellungnahmen geäußert. Etwas stiller ist es um den palästinensischen Botschafter beim Heiligen Stuhl. Von 1995 bis 2015 wurde er als „Repräsentant der PLO“ im Vatikan-Verzeichnis aufgeführt, seither firmiert er als „Repräsentant des Staates Palästina“. Das Jahr 2015 gilt als das Jahr der Anerkennung eines modernen Palästinenserstaats durch den Heiligen Stuhl.

In der aktuellen Debatte um die mögliche Anerkennung eines Palästinenserstaats durch weitere westliche Staaten hat auch Papst Leo XIV. daran erinnert, dass der Heilige Stuhl Palästina schon seit langem anerkannt hat. Allerdings steht diese Anerkennung mit ihrer langen Historie nicht im Verdacht, dass sie von der Terror-Organisation Hamas als „Belohnung“ für ihren Angriff auf Israel angesehen werden könnte. Auch deshalb kritisieren jüdische und israelische Vertreter in Rom diese in jeder Hinsicht einmalige diplomatische Beziehung nicht.

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