Putschversuch – 27 Jahre Haft für Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro
Sieben Mitangeklagte verurteilt/Große Protesten bleiben aus

Putschversuch – 27 Jahre Haft für Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro

Rio de Janeiro  ‐ Brasiliens Justiz hat ein deutliches Urteil gefällt: Vier der fünf Richter sahen es als erwiesen an, dass Ex-Präsident Bolsonaro einen Putsch plante. Damit haben sie sich auch nicht von den USA unter Druck setzen lassen.

Erstellt: 12.09.2025
Aktualisiert: 12.09.2025
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Von Thomas Milz (KNA)

Erstmals in der Geschichte Brasiliens ist ein Ex-Präsident wegen eines Putschversuchs verurteilt worden. Der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro, der das Land von Januar 2019 bis Dezember 2022 regierte, wurde vom Obersten Gericht mit 4 zu 1 Stimmen verurteilt, wie auch in vier weiteren Anklagepunkten. Seine Gesamtstrafe summiert sich auf 27 Jahre und drei Monate. Auch sieben Mitangeklagte verurteilte das Gericht.

Wegen des versuchten Staatsstreichs, Bestrebungen zur gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats, der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Beschädigung von denkmalgeschütztem Erbe und gewaltsam herbeigeführten Schaden an öffentlichem Eigentum drohte ihm zunächst sogar die Maximalstrafe von 43 Jahren. Aufgrund seines Alters – Bolsonaro ist 70 Jahre alt – wurde ihm jedoch ein milderes Urteil zugesprochen. Allerdings muss er eine Geldstrafe von umgerechnet rund 50.000 Euro zahlen und darf bis 2060 nicht mehr für öffentliche Ämter kandidieren.

Bolsonaro habe als „Anführer der kriminellen Gruppe öffentlich laut und deutlich klargemacht, dass er niemals eine demokratische Wahlniederlage akzeptieren würde, dass er niemals den Willen des Volkes erfüllen würde“, argumentierte der Vorsitzende Richter Alexandre de Moraes. Damit spielte er auf Aussagen Bolsonaros im Laufe von dessen Regierungszeit an, in denen er von angeblichen Manipulationen durch das Wahlgericht sprach.

Nach Bolsonaros Wahlniederlage Ende 2022 sollen die Verschwörer unter Führung des damaligen Präsidenten zudem versucht haben, die Machtübernahme durch den gewählten Linkspolitiker Luiz Inacio Lula da Silva zu verhindern. Dabei soll es sogar einen Plan zur Ermordung von „Lula“, dessen Vize Geraldo Alckmin sowie dem Obersten Richter Moraes gegeben haben. Auch die Unruhen im Regierungsviertel der Hauptstadt Brasilia im Januar 2023 sollen Teil des Putschplans gewesen sein.

Neben Bolsonaro wurden auch mehrere Ex-Minister, darunter zwei ehemalige Verteidigungsminister, sowie ranghohe Militärs verurteilt. Sie alle hatten ihre Unschuld beteuert. Nur Bolsonaros ehemaliger Adjutant hatte sich schuldig erklärt. Seine Kronzeugenaussage war fundamental wichtig für die Verurteilungen. Dafür erhielt er das geringste Strafmaß von zwei Jahren Haft in offenem Vollzug. Die Strafen der restlichen Verurteilten liegen zwischen 16 und 26 Jahren und damit unter Bolsonaros Strafmaß.

Neue US-Sanktionen erwartet

Am Mittwoch hatte der Oberste Richter Luiz Fux mit seinem Urteil für Furore gesorgt. Als einziger der fünf Richter der Ersten Kammer hielt er Bolsonaro für unschuldig. Zudem sei das Oberste Gericht nicht zuständig, da Bolsonaro nicht mehr Präsident sei. Vielmehr müsse der Fall an die erste, also unterste Instanz verwiesen werden. Das verwundert auch deshalb, weil Fux zuvor mehr als 400 Bolsonaro-Anhänger wegen der Beteiligung an den Umsturzplänen zu teilweise langen Haftstrafen verurteilt hatte.

Nachdem er die kleinen Fische ins Gefängnis gebracht habe, traue er sich nun nicht an die großen Fische ran, kommentierten Experten in brasilianischen Medien. Sie verwiesen darauf, dass Fux zudem im Frühjahr der Anklage gegen Bolsonaro und seine Mitstreiter zugestimmt hatte. Allerdings hatte die US-Regierung von Donald Trump zuletzt massiven Druck auf Brasilien und speziell die Richter ausgeübt, Bolsonaro nicht zu verurteilen. Neben 50 Prozent Strafzöllen auf brasilianische Exporte wurden auch alle Richter der Ersten Kammer persönlich sanktioniert - bis auf Fux.

Dessen abweichendes Urteil führt dazu, dass Bolsonaros Verteidigung nun zunächst detaillierte Urteilsbegründungen beantragt – und damit den Haftantritt hinauszögern kann. Zudem will die Verteidigung erreichen, dass Bolsonaro nicht in ein Gefängnis eingewiesen wird, sondern weiterhin im Hausarrest bleiben kann. Sie führen sein hohes Alter sowie seinen angeblich schlechten Gesundheitszustand an. Bolsonaro war im Wahlkampf 2018 Opfer einer Messerattacke geworden, Nachoperationen wurden notwendig.

Entgegen Befürchtungen löste das Urteil aber keine größeren Proteste von Bolsonaro-Anhängern aus. Ursprünglich hatten Experten angesichts der starken Polarisierung innerhalb der brasilianischen Gesellschaft vor Gewaltexzessen seiner Anhänger gewarnt. Am vergangenen Wochenende hatte Anhänger und Gegner von Bolsonaro in mehreren Städten protestiert, jedoch blieb es friedlich. Laut Umfragen befürwortet eine knappe Mehrheit der Brasilianer, dass Bolsonaro zur Verantwortung gezogen wird.

Allerdings äußern manche Rechtsexperten auch Zweifel an dem nun abgeschlossenen Prozess. Sie sehen die Beweislage gegen Bolsonaro und seine Mitstreiter als zu dünn an. Zudem gibt es derzeit im Kongress Bestrebungen, eine Amnestie für Bolsonaro und seine Anhänger zu beschließen. Dies könnte das Parlament auf einen Kollisionskurs mit dem Obersten Gericht führen.

Zudem rechnen Experten mit neuen Sanktionen der US-Regierung gegen die Richter. Zuletzt hatte die Trump-Regierung gar Drohungen ausgesprochen, die eine militärische Aktion gegen Brasilien einschließen könnten. Von einer Umsetzung geht in Brasilien aber niemand aus. Hinter diesen Aktionen steckt Berichten zufolge Bolsonaros Sohn Eduardo, der seit Monaten in Washington für Druck auf die brasilianische Regierung und Justiz wirbt.

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