Eine große kolumbianische Nationalflagge weht auf der Festung von Cartagena im Norden Kolumbiens. Im Hintergrund zu sehen ist die Skyline von Cartagena
Präsident Petro: „Schwerer Angriff auf Religionsfreiheit“

Entsetzen in Kolumbien nach Mord an acht christlichen Missionaren

In Kolumbien sind die sterblichen Überreste von acht vermissten Mitgliedern einer christlichen Missionsgruppe gefunden worden. Der Fall lenkt den Blick auf einen in schwere Turbulenzen geratenen Friedensprozess.

Erstellt: 07.07.2025
Aktualisiert: 07.07.2025
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Von Tobias Käufer (KNA)

Ein Foto erschüttert Kolumbien: Ein von der Staatsanwaltschaft veröffentlichtes Bild zeigt acht nebeneinander liegende Leichen – verscharrt in einer Grube im Wald. Ersten Erkenntnissen zufolge handelt es sich um Mitglieder einer christlichen Gruppe, die in die Unruheregion Guaviare gekommen waren, um humanitäre Hilfe zu leisten. Sie galten seit April als vermisst.

Die Region wird von den sogenannten FARC-Dissidenten kontrolliert, einer Abspaltung der linksextremen ehemaligen FARC-Guerilla. Diese hatte sich 2016 in einem weltweit beachteten Friedensvertrag mit der Regierung für das Ende des bewaffneten Kampfes gegen den kolumbianischen Staat entschieden. Die FARC-Dissidenten lehnten den Vertrag ab und setzten ihren Krieg fort.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft deuten die Ermittlungen daraufhin, dass die Untergruppe „Frente Armando Ríos“ für die Ermordung der christlichen Missionare verantwortlich ist. Laut kolumbianischen Medienberichten könnten die FARC-Dissidenten eine Verbindung der Missionare zur marxistischen ELN-Guerilla vermutet haben. Allein dieser Verdacht reichte womöglich für den Mord. Die linken Rebellenorganisationen liefern sich erbitterte Kämpfe um die territoriale Vorherrschaft in einzelnen Regionen des Landes.

„Sie wurden gefesselt und in den Rücken geschossen“, zitiert der TV-Sender RCN einen Staatsanwalt. Kolumbiens linksgerichteter Präsident Gustavo Petro sprach von einem „schweren Angriff auf das Recht auf Leben, die Religionsfreiheit und die spirituelle Arbeit“.

Auch die katholische Kirche verurteilte die Tat. Der für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche zuständige Prälat Héctor Fabio Henao und die Diözese Guaviare veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung: „Diese schändliche Tat, die acht Menschen das Leben gekostet hat, die ihr Leben dem geistlichen und gemeinschaftlichen Dienst gewidmet hatten, stellt eine schwere Beeinträchtigung des sozialen Lebens und des Friedens in der Region dar.“

Das Leid trägt vor allem die Zivilbevölkerung

Der Angriff auf die Missionare ist ein weiter Rückschlag für einen von Präsident Petro angestoßenen Friedensprozess im Land. In seiner nun fast drei Jahre andauernden Präsidentschaft versuchte er, mit allen bewaffneten Gruppierungen im Land zu verhandeln. Doch die vereinbarten Waffenstillstände nutzten rechtsextreme wie linksextreme Akteure, um ihre Vormachtstellungen in einigen Territorien auszubauen. Laut UN-Angaben stieg die Kokain-Produktion in Kolumbien zuletzt deutlich an; es gibt wieder brutale Kämpfe der Gruppen untereinander. Das Leid trägt vor allem die Zivilbevölkerung.

Petro steht also unter Druck. Das Verhältnis zu Vizepräsidentin Francia Márquez ist deutlich abgekühlt; Außenministerin Laura Sarabia, die als enge Vertraute des Präsidenten gilt, trat in dieser Woche zurück. Das Land wurde zudem vor einigen Wochen von einem Attentat auf den potenziellen konservativen Präsidentschaftskandidaten Miguel Uribe erschüttert, der seitdem in Lebensgefahr schwebt.

Petros früherer Außenminister Álvaro Leyva warf dem Präsidenten obendrein vor, drogenabhängig zu sein. Veröffentlichte Tonaufnahmen deuten gar auf einen Umsturzplan Leyvas hin: Offenbar plante er, sowohl Vizepräsidentin Márquez als auch bewaffnete Gruppen und Militärs einzubinden.

In wenigen Wochen geht Petro in sein letztes Amtsjahr. Die rechte Opposition wirft ihm vor, die in der Verfassung vorgesehene Amtszeitbegrenzung außer Kraft setzen und eine erneute Kandidatur durchsetzen zu wollen. Knapp zwei Drittel der Kolumbianer sind mit seiner Amtsführung laut Umfragen allerdings unzufrieden.

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