Politisches Attentat erschüttert Kolumbien
Möglicher Präsidentschaftskandidat nach Schussattacke in Klinik

Politisches Attentat erschüttert Kolumbien

Bogotá D.C. ‐ Senator Miguel Uribe Turbay ist Hoffnungsträger des rechtsgerichteten „Centro Democratico“. Die Ärzte kämpfen um sein Leben, die USA machen der Linksregierung schwere Vorwürfe.

Erstellt: 08.06.2025
Aktualisiert: 12.06.2025
Lesedauer: 
Von Tobias Käufer (KNA)

Vor dem Hospital „Fundación Santa Fe“ in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá stehen am späten Abend hunderte Menschen und bangen um das Leben von Miguel Uribe Turbay (39). Auf den möglichen Präsidentschaftskandidaten des rechtsgerichteten „Centro Democratico“ war zuvor geschossen worden. „Ich bin Maria Claudia Tarazona, die Ehefrau von Miguel. Miguel kämpft derzeit um sein Leben. Bitten wir Gott, dass er die Hände der Ärzte, die ihn behandeln, leitet. Ich bitte Sie alle, sich den Gebeten für Miguels Leben anzuschließen“, schrieb seine Ehefrau später im Netzwerk X.

Auf den Politiker war am Samstagabend (Ortszeit) laut lokalen Medienberichten bei einer öffentlichen Veranstaltung im Stadtviertel Modelia unweit des internationalen Flughafens El Dorado geschossen worden. Uribe Turbay sank zusammen; Helfer versuchten den Politiker zu schützen. Nach lokalen Medienberichten wurde ein mutmaßlicher Täter im Alter von 14 oder 15 Jahren festgenommen. Über die Hintergründe der Tat sowie des Schützen gibt es bislang keine gesicherten Informationen.

Miguel Uribe Turbay ist Sohn von Diana Turbay, einer Journalistin, die während der Epoche des berüchtigten Drogenbosses Pablo Escobar in den 1980er und 1990er Jahren von dessen Medellin-Kartell entführt und später ermordet wurde. Ihr Schicksal ist im Buch „Nachricht einer Entführung“ von Literatur-Nobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez geschildert. Auch in zahlreichen Dokumentationen und Spielfilmen ist die Geiselnahme aufgearbeitet worden.

Das Attentat sorgt in Kolumbien für hitzige Debatten. Im Zentrum der Kritik steht der linkspopulistische Präsident Gustavo Petro, dem die Opposition vorwirft das gesellschaftliche Klima mit polarisierenden Reden zu vergiften. Petro sagte am Abend: „Ich hoffe, dass Miguel Uribe Turbay überlebt, das ist mein größter Wunsch, und das sollte auch die Gesellschaft empfinden, dass wir vor allem unsere Herzen und Kräfte bündeln, um ihm zu helfen, dass es ihm wieder gut geht.“

Derweil machte die US-Regierung indirekt die kolumbianische Regierung um den linkspopulistischen Präsidenten mitverantwortlich: „Die Vereinigten Staaten verurteilen den Mordversuch an Senator Miguel Uribe auf das Schärfste. Dies ist eine direkte Bedrohung für die Demokratie und das Ergebnis der gewalttätigen linken Rhetorik, die aus den höchsten Ebenen der kolumbianischen Regierung kommt“, schrieb Außenminister Marco Rubio auf X. Angesichts der Fortschritte, die Kolumbien in den vergangenen Jahrzehnten bei der Festigung von Sicherheit und Demokratie erzielt habe, könne sich das Land eine Rückkehr zu den dunklen Tagen politischer Gewalt nicht leisten. „Präsident Petro muss seine hetzerische Rhetorik zurückfahren und kolumbianische Amtsträger schützen“, so Rubio weiter.

Miguel Uribe Turbay gilt als einer der einflussreichsten Politiker innerhalb des rechtsgerichteten „Demokratischen Zentrums“ (CD) um den Ex-Präsidenten Alvaro Uribe (2002-2010), mit dem Miguel Uribe allerdings nicht verwandt ist. Im kommenden Jahr finden in Kolumbien Präsidentschaftswahlen statt; Uribe hatte sich für die Kandidatur im CD ins Spiel gebracht und gilt als aussichtsreicher Kandidat.

Die aktuelle Petro-Regierung versucht das von Drogengewalt und organisierte Kriminalität geplagte Land auf dem Verhandlungswege zu einem „kompletten Frieden“ (Paz total) zu führen. Allerdings werden Waffenstillstände immer wieder gebrochen. Linke Guerillagruppen und rechte Paramilitärs nutzten die Zurückhaltung des Staates während des Friedensprozesses, um ihre Macht in den Drogenanbaugebieten oder Vertriebsrouten auszubauen. Sowohl die Kokainproduktion als auch die Amazonas-Abholzung haben in jüngster Zeit deutlich zugenommen.

Auch die kolumbianische Bischofskonferenz äußerte ihre Bestürzung und verurteilte das Attentat. Wir fordern, dass die intellektuellen und materiellen Urheber dieses Angriffs mit aller Härte des Gesetzes und der Gesellschaft zur Rechenschaft gezogen werden. Jede Form von Gewalt ist verwerflich, und Gewalt, die provoziert, kalkuliert und als Strategie eingesetzt wird, um Chaos zu stiften, ihre Gegner zu diskreditieren oder auszulöschen, ist bösartig und pervers“, heißt es in einer Stellungnahme

Zudem riefen die Bischöfe alle Kolumbianer dazu auf, zusammen zu stehen, um zu verhindern, dass Gewalt uns als Individuen und als Land zerstört; um soziale Wunden zu heilen, das Leben als grundlegendes und höchstes Geschenk zu respektieren und zu schätzen sowie Demokratie und Institutionen zu achten, zu schätzen und zu vervollkommnen.

11.09.2025: Stellungnahme kolumbianische Bischofskonferenz hinzugefügt

Mehr zum Thema