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Armeniens Bergkarabach-Flüchtlinge suchen Trost im Glauben
Jerewan ‐ Über Jahrhunderte spielte die armenisch-apostolische Kirche in Bergkarabach eine wichtige Rolle. Engagierte Christen bauen das kirchliche Leben im benachbarten Armenien mühsam wieder auf – denn die Sehnsucht ist groß.
Aktualisiert: 07.02.2025
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Ohne Kirche ging es für Lusine Hambardzumyan schon in Bergkarabach nicht. Jede Woche traf sie sich mit anderen jungen Christen, um gemeinsam zu beten, die Bibel zu lesen und Senioren mit Lebensmitteln zu unterstützen. Bis zum 19. September 2023: Als aserbaidschanische Soldaten die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region angreifen, flieht Hambardzumyan nach Armenien.
Heimat, Arbeit – und die für sie so wichtige Gemeinschaft in der örtlichen Kirche – alles ist verloren. „Es ist sehr schwer geworden, sich überhaupt noch zu treffen. Alle Mitglieder unserer Gruppe sind über ganz Armenien verstreut“, sagt die 29-Jährige wehmütig, während ihre Finger mit dem kleinen Goldkreuz an ihrem Hals spielen.
Bis heute lastet der Schmerz über den Verlust Bergkarabachs – das sich 1991 für unabhängig erklärt hatte, nach internationalem Verständnis aber zu Aserbaidschan gehört – auf den mehr als 100.000 Geflüchteten. Doch trotz der schwierigen Umstände geben Christen wie Hambardzumyan nicht auf. Mit anderen jungen Gläubigen aus Bergkarabach hat sie einen Kanal im Telegram-Messenger gestartet.
Schon mehr als 200 Abonnenten sind nach wenigen Wochen dabei. Auch wenn viele längst Gottesdienste in örtlichen Gemeinden besuchen, brauchen sie den Austausch untereinander: „Viele sagen: 'Wenn Gott uns wirklich liebt, warum hat er uns nicht vor dem Krieg geschützt und zugelassen, dass wir jetzt nichts mehr haben?' Niemand kann jemanden besser verstehen als der, der den gleichen Schmerz erlebt hat“, sagt Hambardzumyan.
Auch Vrtanes Abrahamyan (Bild oben), seit 2021 Bischof von Arzach, kennt diesen Schmerz. „Ich bin ein Kind Arzachs. Wie kann ein Mann ohne seine Heimat sein?“, sagt der 62-Jährige im schlichten blauen Talar seufzend. Auch er wurde in Bergkarabach geboren.
Seine Bischofskirche ist verloren. Nun arbeitet das Bistum in der armenischen Hauptstadt Jerewan weiter. Die Büroräume liegen in einer kleinen Seitenstraße nahe dem Zentrum. In seinem Büro bewahrt Abrahamyan einige Erinnerungsstücke an Bergkarabach auf: seine Ernennungsurkunde, einen silbernen Messkelch und eine alte Bibel. „Darauf sind alle Präsidenten Arzachs seit der Unabhängigkeit vereidigt worden“, sagt der Bischof, und ein stolzes Lächeln huscht über sein Gesicht.
Mit Bergkarabach verbunden
Doch Abrahamyan möchte nicht, dass vom christlichen Leben in Bergkarabach nur Erinnerungen bleiben. Schon kurz nach der Massenflucht suchte er seine Christen, die überall in Armenien verstreut waren. Gemeinsam mit ihnen versucht er, das alte Gemeindeleben so gut wie möglich neu zu beleben.
„Die Menschen in Bergkarabach waren eng mit ihren örtlichen Kirchen und ihrem örtlichen Priester verbunden“, sagt er. „Viele haben alle wichtigen Ereignisse wie Taufen oder Hochzeiten in den gleichen Kirchen und mit den gleichen Priestern gefeiert. Diese spirituelle Bindung war von einem Tag auf den anderen abgerissen.“
Erste Gruppen wie eine Kinderkatechese hat die Diözese wieder ins Leben gerufen. Doch neben spiritueller ist vor allem Wirtschaftshilfe gefragt: „Viele Geflüchtete haben immer noch Probleme, Arbeit zu finden. Die Finanzhilfen der Regierung reichen nicht aus, um alle Kosten wie Lebensmittel und Miete zu bestreiten“, sagt Anush Avanesyan.
Die junge Frau aus Bergkarabach arbeitet im Büro des Bischofs und engagiert sich ehrenamtlich für AMSAR, eine christliche Nichtregierungsorganisation, die eng mit der Diözese zusammenarbeitet. Sie organisiert unter anderem Kurse für junge Familien aus Bergkarabach, um sie psychologisch zu unterstützen und bei der Arbeitssuche zu helfen.
Trotz aller Schwierigkeiten will Bischof Abrahamyan die Hoffnung aufrechterhalten, dass seine Christen irgendwann wieder in Bergkarabach leben werden. Auf dem Handy zeigt er eine Predigt, die er am Vorabend des armenischen Weihnachtsfestes gehalten hat. Laut liest er die entscheidenden Worte vor: „Ungerechtigkeit wird nicht über Gerechtigkeit triumphieren; Dunkelheit nicht über Licht, Auferstehung nicht über den Tod. Wir glauben daran, dass wir zurückkehren werden.“
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