Elke Büdenbender und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, besuchen am 31. März 2025 die Genozid-Gedenkstätte Zizernakaberd in Jerewan (Armenien)
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Land hofft auf EU-Betritt

Zwischen Friedenshoffnung und EU-Träumen: Steinmeier in Armenien

Jerewan  ‐ Es war ein historischer Besuch: Zum ersten Mal ist ein deutscher Bundespräsident in Armenien. Die Erwartungen an Deutschland sind groß, die Herausforderungen aber auch.

Erstellt: 01.04.2025
Aktualisiert: 01.04.2025
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Von Daniel Pelz (KNA)

Der erste Besuch eines deutschen Bundespräsidenten in Armenien beginnt mit dem dunkelsten Kapitel in der Geschichte des Kaukasus-Staates: Zum Auftakt legt Frank-Walter Steinmeier in einer Gedenkstätte Blumen für die Opfer des Völkermordes an den Armeniern im damaligen Osmanischen Reich nieder. Mit ernster Miene und gesenktem Kopf verharrt er einige Momente vor der ewigen Flamme, während der Regen vom wolkenverhangenen Himmel prasselt.

Nach dem Gespräch mit seinem armenischen Amtskollegen Wahagn Chatschaturjan ist nicht nur der Himmel heller, sondern auch die Stimmung. Der erste Besuch eines Bundespräsidenten sei ein historisches Ereignis, lobt das armenische Staatsoberhaupt: „Ich schätze die Unterstützung Deutschlands für Armenien sehr hoch.“ Seit Armeniens pro-westlicher Regierungschef Nikol Paschinjan, ein Verbündeter Chatschaturjans, 2018 in einer friedlichen Revolution die alte, russland-treue Regierung stürzte, sucht Armenien engere Beziehungen zum Westen.

Die Reise des Bundespräsidenten ist ein deutliches Zeichen, dass auch Deutschland die Beziehungen ausbauen will: „Wir in Deutschland freuen uns über das starke Interesse Armeniens an Europa“, so Steinmeier. Er verspricht, dass Deutschland Armenien auf dem Weg seiner Annäherung an Europa unterstützen werde.

Längst ist auch Deutschland in Armenien weitaus mehr präsent als früher, etwa durch den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit und das Engagement bei der EU-Mission EUMA an der Grenze zu Aserbaidschan. Die Bundesregierung sendet bei der Steinmeier-Visite weitere Signale: Beide Länder unterschreiben ein Abkommen über die weitere finanzielle Zusammenarbeit, Leipzig und Jerewan vereinbaren eine Städtepartnerschaft.

Trotzdem weiß die Bundesregierung, dass sich viele Armenier noch mehr wünschen. Erst vor wenigen Tagen hat das armenische Parlament per Gesetz festgelegt, dass Armenien einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen soll. Hier muss der Bundespräsident „Erwartungsmanagement“ betreiben: „Natürlich ist dazu viel Reformarbeit in Armenien notwendig, und ich habe in den Gesprächen den Eindruck gehabt, dass man sehr realistisch auf die Weite des Weges blickt, der vor Armenien liegt“, so Steinmeier bei der Pressebegegnung mit seinem armenischen Amtskollegen.

Interesse an Stabilität

Unterstützung verspricht Steinmeier auch in einer weiteren Schicksalsfrage für Armenien: dem lang ersehnten Friedensabkommen mit Erzfeind Aserbaidschan. Beide Länder hatten sich nach jahrelangen Verhandlungen und mehreren blutigen Auseinandersetzungen am 13. März auf den Text eines gemeinsamen Abkommens geeinigt. Allerdings ist der Vertrag noch nicht unterschrieben. Aserbaidschan hat von Armenien zuvor eine Verfassungsänderung gefordert. Wenige Stunden nach Ankunft des Bundespräsidenten am Sonntagabend fallen an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze Schüsse, für die sich beide Seiten die Schuld geben.

Steinmeier verspricht seinem armenischen Kollegen, sich in Aserbaidschan für eine baldige Unterschrift des Vertrages einzusetzen. „Was wir in Deutschland oft vergessen: Es ist eine unmittelbare Nachbarregion zur Europäischen Union, und wir Deutschen und Europäer müssen ein Interesse haben, dass hier in der Region mehr Stabilität herrscht“, sagt er später vor deutschen Journalisten.

Vor einem Jahr sei für ihn noch nicht absehbar gewesen, dass es gelingen würde, dass Armenien und Aserbaidschan einen kompletten Friedensvertrag aushandeln würden. „Allein, er ist noch nicht unterschrieben. Deshalb kann unser Besuch vielleicht auch eine Ermutigung sein, die letzten Meter auf dem Wege zur Unterschrift und zur Ratifizierung des Friedensvertrages auch zu gehen“, so Steinmeier.

Auch Armeniens Präsident Chatschaturjan gibt sich offiziell zuversichtlich, dass das Abkommen unterschrieben wird. „Wir sind der Ansicht, dass diese Fragen am Verhandlungstisch gelöst werden können. Die Zeit des Krieges ist schon vorbei, die Zeit der Konfrontation ist schon vorbei. Der Südkaukasus verfügt nicht mehr über die Ressourcen, einen neuen Krieg zu beginnen.“

Neben den politischen Gesprächen stehen für den Bundespräsidenten noch ein Besuch beim Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche, Katholikos Karekin II., die Besichtigung einer historischen Kirche am Sewansee und die Eröffnung einer hydrometeorologischen Messstation auf dem Programm. Am Dienstag fliegt der Bundespräsident weiter ins benachbarte Aserbaidschan.

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