Kaukasus. Georgien, Armenien, Aserbaischan.
Immer noch haben die Familien kaum mehr als nichts

Harter Winter für Berg-Karabach-Flüchtlinge in Armenien

Jerewan  ‐ Mehr als 100.000 Menschen sind 2023 nach der aserbaidschanischen Offensive aus Berg-Karabach geflohen. Armenien hat seine Landsleute mit offenen Armen aufgenommen. Trotzdem ist das Leben für viele schwer.

Erstellt: 20.02.2024
Aktualisiert: 19.02.2024
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Von Daniel Pelz (KNA)

Kamela Baghdasaryuans neues Zuhause ist eigentlich keines. Nur eine einfache Baracke mit drei winzigen Zimmern und Wellblechdach, viel zu klein für fünf Menschen. Hier, gut 30 Kilometer südlich der Hauptstadt Jerewan, hat die Familie nach der Flucht aus Berg-Karabach eine notdürftige Unterkunft gefunden.

Tränen schießen in Kamelas Augen, wenn sie von den dramatischen Tagen im vergangenen September erzählt. „Wir konnten nicht mal mehr Kleidung einpacken. Wir kamen mit fast nichts in Armenien an. Als wir dann in dieses Haus kamen, war es fast leer“, erzählt Kamela Baghdasaryuan an ihrem wackeligen Esstisch und wischt sich wieder die Augen.

Auch jetzt hat die Familie kaum mehr als nichts, von Betten, nackten Glühbirnen an der Decke und etwas Kleidung abgesehen. Der Kühlschrank kommt von der armenischen Caritas; Betten und Bezüge waren Geschenke von Privatleuten. Ein kühler Luftzug fegt durch die Räume; an der Decke zeigen sich braune Feuchtigkeitsflecken. Doch mehr kann sich die Familie nicht leisten. In Berg-Karabach arbeitete Kamela Baghdasaryuan in einer Schulküche, ihr Mann war Soldat. Die Familie hatte ein Haus und hielt noch einige Tiere. Doch in Armenien ist das anders: „Wir haben hier nach Arbeit gesucht, aber wir finden nichts“, sagt sie.

Ein hartes Leben

Vielen Geflüchteten geht es ähnlich. Ihre mehrheitlich von Armeniern besiedelte Heimat Berg-Karabach hatte sich 1991 für unabhängig erklärt. Das hatte die internationale Gemeinschaft jedoch nicht anerkannt; nach internationalem Verständnis gehört die Region zu Aserbaidschan. Mehrfach lieferten sich Armenien und Aserbaidschan seitdem blutige Konflikte um die Region. Nach der aserbaidschanischen Offensive im September floh fast die gesamte Bevölkerung binnen weniger Tage nach Armenien.

Die Regierung in Jerewan, Hilfsorganisationen und zahlreiche lokale Freiwillige versorgten die Flüchtlinge in kürzester Zeit mit dem Nötigsten und brachten sie in temporären Unterkünften unter. Man organisierte die Auszahlung von Renten und integrierte Zehntausende Kinder in lokalen Schulen. Auch können Flüchtlinge die armenische Staatsbürgerschaft beantragen.

Trotzdem ist das Leben vieler Flüchtlinge hart. „Diese Menschen brauchen alles, weil sie mit fast nichts kamen. Vor allem Unterkünfte und Einkommen, damit sie ein eigenständiges Leben führen können“, sagt Lusine Stepanyan von der armenischen Caritas, die viele Flüchtlinge unterstützt. Bis Anfang Dezember haben nach offiziellen Angaben aber nur rund 5.400 Flüchtlinge Arbeit gefunden.

Es fehlt an Feldern und Maschinen

Viele Menschen in der Region waren Bauern; doch in Armenien fehlen ihnen Felder und Maschinen. Auch andere Berufsgruppen haben es schwer: „Viele Flüchtlinge haben nicht die nötigen Erfahrungen und Qualifikationen, die der armenische Arbeitsmarkt braucht“, sagt Stepanyan. Und Jobs gibt es auch nicht im Überfluss; die Arbeitslosenquote liegt in Armenien bei fast 14 Prozent.

Viele Flüchtlinge überleben nur durch die monatlichen Geldzahlungen der Regierung. In den Wintermonaten gibt es noch zusätzliche Leistungen. Doch das Geld reiche nur fürs Allernötigste, klagt Kamela Baghdasaryuan: „Wir versuchen, damit warme Kleidung für die Kinder und Essen zu kaufen.“ In kalten Winterwochen ist die Lage besonders schlimm: „Viele haben keine Heizstrahler, keine warmen Decken; manche schlafen auf dem kalten Boden, weil sie keine Betten haben. Kinder können manchmal nicht zur Schule gehen, weil sie keine warme Kleidung haben“, sagt Caritas-Expertin Stepanyan. Für viele Flüchtlinge ist ein glücklicher Zufall, dass die Temperaturen seit einigen Tagen ungewöhnlich mild sind.

Armeniens Regierung arbeitet derzeit an einem Programm, um mehr Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Auch bessere Wohnungen soll es bald geben. Doch noch sind keine Details bekannt. Kamela Baghdasaryuan träumt davon, eines Tages zurück nach Hause gehen zu können. Nach Berg-Karabach, das sie als „Arzach“ bezeichnet, mit dem Namen der international nicht anerkannten Republik: „Mein Mann würde unser Haus auch zwei, drei, viermal wieder aufbauen, wenn es nötig wäre. Arzach ist unsere Heimat, die wir niemals aufgeben.“

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