Dollarscheine liegen aufeinander. Symbolbild Geld, US-Dollar, USA
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Bedeutender Teil amerikanischer Softpower

Trump mit Abrissbirne: Soll US-Entwicklungshilfe sterben?

Eine Regierungsbehörde als Haufen radikaler Verrückter? Als kriminelle Organisation? An solche Töne wird man sich gewöhnen müssen, wenn man die Politik von Donald Trump verfolgt. Jetzt trifft es die Entwicklungshilfe.

Erstellt: 04.02.2025
Aktualisiert: 04.02.2025
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Von Christoph Arens (KNA)

Der Präsident kommt mit der Abrissbirne. Donald Trump will offenbar die Behörde für internationale Entwicklungshilfe (USAID) auflösen. Der Präsident hatte nach seinem Amtsantritt vor zwei Wochen zunächst jegliche Gelder für Entwicklungshilfe für drei Monate eingefroren und lediglich für humanitäre Hilfe Ausnahmen genehmigt. In den vergangenen Tagen wurden hunderte Mitarbeiter der Behörde entlassen oder beurlaubt, wie unter anderen CNN berichtete.

Jetzt kündigten Trump und Regierungsberater Elon Musk weitere Schritte an: Am Sonntagabend (Ortszeit) sagte Trump nach Medienangaben, USAID werde von „von einem Haufen radikaler Verrückter geführt, und die holen wir raus“. Anschließend werde er über die Zukunft der Behörde entscheiden. Musk erklärte am Montagmorgen auf seiner Plattform X, er habe mit Trump ausführlich über USAID gesprochen. „Er stimmte zu, dass wir sie schließen sollten“, sagte der Milliardär. „Es wurde deutlich, dass es sich nicht um einen Apfel mit einem Wurm darin handelt“, fügte er hinzu. „Was wir haben, ist einfach ein Knäuel von Würmern.“ USAID sei eine kriminelle Organisation. Es sei Zeit, dass sie sterbe. Mit dem für ihn gegründeten „Department of Government Efficiency“ soll Musk Vorschläge machen, um die US-Staatsausgaben zu kürzen.

Es wäre ein Schritt mit Symbolkraft. Das Vorgehen gegen die Entwicklungshilfe passt zu Trumps Strategie des America First. Wie US-Medien berichten, zeigten sich mehrere demokratische Senatoren entsetzt über das radikale Vorgehen: Der Präsident könne nicht einfach aus eigener Machtvollkommenheit eine Behörde auflösen, laufende Programme beenden und die Auslandshilfe einfrieren. „Das wäre illegal und auch gegen die amerikanischen Interessen“, erklärte Senator Chuck Schumer, demokratischer Minderheitsführer im Senat, auf X.

Ein Sprecher des deutschen Entwicklungsministeriums sagte am Montag vor Journalisten, das Aus für die US-Entwicklungshilfe würde international eine empfindliche Lücke reißen. „Deutschland und die EU würden diese Lücke nicht füllen können.“ Es gelte aber zunächst zu beobachten, was aus den Ankündigungen der Trump-Regierung folge.

In 100 Ländern tätig

USAID war bislang ein zentraler Pfeiler der Außen- und Sicherheitspolitik der USA. Sie hatte zuletzt ein Jahresbudget von 42,8 Milliarden Dollar (rund 41,9 Milliarden Euro) und arbeitete in rund 100 Ländern. Die Agentur beschäftigte weltweit mehr als 10.000 Mitarbeitende, von denen knapp 7.000 in den rund 80 USAID-Auslandsbüros (Missions) tätig sind. Finanziell und personell spielt USAID gemessen am Gesamthaushalt nur eine kleine Rolle. Doch für die internationale Entwicklungszusammenarbeit hat die Behörde große Bedeutung.

Die moderne Entwicklungszusammenarbeit der USA entstand nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem Marshall-Plan. Von 1948 bis 1951 stellten die USA westeuropäischen Ländern erhebliche finanzielle Mittel und technische Unterstützung bereit, um den Wiederaufbau Europas zu beschleunigen und gleichzeitig kommunistische Ideen und sowjetischen Einfluss einzudämmen.

1961 verabschiedete der US-Kongress unter der Regierung von Präsident John F. Kennedy ein Gesetz, das USAID zum zentralen Akteur der zivilen Auslandshilfe der USA machte. Sie ist einer der Pfeiler der „soft power“, wenn es um die Stellung der USA in der Welt geht. Experten argumentieren, die nationale Sicherheit der USA beruhe auf den „drei D“: defense, diplomacy and development  also auf Verteidigung, Diplomatie und Entwicklungshilfe.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit mehrfach neu definiert: von der Bekämpfung des Kommunismus über die Förderung der Marktwirtschaft und die Deckung grundlegender Bedürfnisse der Bevölkerung bis hin zur Unterstützung von Demokratie und dem Wiederaufbau nach Krisen und Konflikten. Die aktuelle Strategie von USAID aus dem Jahr 2023 bekennt sich zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen und deren Zielen für nachhaltige Entwicklung. Handlungsfelder sind etwa Humanitäre Hilfe, Konfliktvorbeugung, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, Wasserversorgung und sanitäre Einrichtungen, Bildung, Demokratieförderung und Gesundheit.

Teilweise umstritten waren Aktivitäten von USAID in Richtung Demokratieaufbau, Förderung unabhängiger Medien und Nichtregierungsorganisationen sowie sozialer Initiativen. Kritiker warfen den US-Regierungen vor, verdeckte politische Einflussnahme zu betreiben, etwa in lateinamerikanischen Staaten.

Forscher: Stopp von Entwicklungshilfe schadet auch USA

Nach Ansicht von Stephan Klingebiel vom German Institute of Development and Sustainability (IDOS) könnte der Stopp der Unterstützung durch USAID in vielen Ländern stark negative Auswirkungen haben, zugleich aber auch die internationale Stellung der USA verschlechtern. „Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiges geopolitisches Mittel, um Allianzen zu bilden, um mit anderen Ländern im Dialog zu sein“, sagte der Experte am Dienstag im Interview mit der Tagesschau.

„Wenn man humanitäre Hilfe leistet, hat man auch politisch etwas in die Waagschale zu werfen“, fügte er hinzu. Der Wissenschaftler verwies auf Jordanien, das durch die Aufnahme viele palästinensischer Flüchtlinge ein stabilisierender Faktor im Nahen Osten sei und dafür Milliarden US-Dollar bekommen habe. Die anderen westlichen Akteure könnten diese Lücke nicht schließen, sagte der Wissenschaftler. Das verschaffe China und auch Russland Spielräume in vielen Ländern des globalen Südens.

Der Entwicklungsexperte sagte, wenn die US-Hilfe von heute auf morgen eingefroren werde, habe das sofort massive Folgen. „In Nepal werden bis zu 600.000 Kinder mit Vitamin B versorgt. Schon jetzt erreichen uns Berichte, dass dort all diese von den USA finanzierten Projekte zum Stillstand gekommen sind und viele lokale NGOs sofort ihre Arbeit einstellen mussten.“ Das betreffe auch die Bekämpfung der großen Krankheiten zum Beispiel in Afrika - Malaria, Cholera, Masern und das HI-Virus.

Trump und sein Regierungsberater Elon Musk hatten in den vergangenen Tagen angekündigt, die Entwicklungsagentur USAID auflösen zu wollen. Klingebiel verwies darauf, dass die USA weltweit mit großem Abstand das größte Geberland seien. „2023 waren es gut 65 Milliarden US-Dollar, davon ungefähr 50 Milliarden US-Dollar über USAID. Ungefähr 42 Prozent der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen stammen aus den USA.“

Ob und in welcher Form sich die USA weiter engagieren, ist ungewiss. Es deutet sich an, dass bestimmte Aufgaben ins Außenministerium integriert werden könnten. Klingebiel kann sich vorstellen, dass es künftig „wieder eine Art formalistischer Hülle für die Entwicklungszusammenarbeit gibt und neue Instrumente präsentiert werden, die sich an den sehr engen Interessen der neuen US-Regierung orientieren. Das dürfte dann mit Entwicklungspolitik nur noch wenig zu tun haben, sondern vor allem dazu dienen, jedes beliebige Land mit dem Entzug von Unterstützung unter Druck setzen zu können.“

Der Entwicklungsexperte vermutet, dass dann Nichtregierungsorganisationen oder Projekte, die die Stärkung von Frauen unterstützen oder die die Rechte von Homosexuellen schützen, nicht mehr unterstützt werden. Auch das Familienbevölkerungsprogramm der Vereinten Nationen werde sicherlich die Unterstützung verlieren. Stattdessen rechnet Klingebiel damit, dass evangelikale Gruppen in Afrika stärker gefördert werden. „Und dann wird es sicher auch darum gehen, unter dem Label Entwicklungszusammenarbeit amerikanischen Unternehmen Zugang zu Rohstoffen in anderen Ländern zu verschaffen.“

Auch deutsche Organisationen in Sorge

Eine Reihe von Organisationen in Deutschland sieht die Entwicklung mit erheblichen Sorgen. Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt erklärte, da die USA der größte Geber von Auslandshilfen seien, drohe vielen Menschen weltweit mehr Not. Umso mehr brauche es nun einen engagierten Einsatz der künftigen Bundesregierung für Entwicklungs- und Klimafinanzierung, sagte ein Sprecher. „Dafür ist aus unserer Sicht notwendig, dass sich die Bundesregierung zu einem starken und eigenständigen Entwicklungsministerium bekennt.“ 

Auch Bernd Bornhorst, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, fürchtet dramatische Auswirkungen im globalen Süden. „Ein Stopp der US-amerikanischen Hilfe wird Menschenleben kosten. Die lebenswichtige Versorgung von Menschen in den ärmsten Ländern der Welt ist in akuter Gefahr“, sagte er am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Aachen.

Bornhorst sieht die angekündigten Maßnahmen Trumps gegen die US-Behörde USAID als Teil seiner „America First“-Agenda. Ernährungsprogramme für unterernährte Menschen in Nepal, die lebensrettende Medikamentenvergabe für HIV-Erkrankte in Sambia oder die Unterbringung von notleidenden Flüchtlingen in Südostasien stünden nun auf der Kippe.

Deutschland und andere Geberländer wären nicht in der Lage, dieses Defizit auszugleichen, sagte Bornhorst. Das schüre weltweit Unsicherheiten und existenzielle Ängste. „Die amerikanische Recht-des-Stärkeren-Attitüde hat schmerzhafte Folgen für mutige Menschenrechtsverteidiger, politisch Verfolgte, demokratische Initiativen, traumatisierte Flüchtlinge sowie schutzbedürftige Kinder und Familien auf der ganzen Welt.“ Das sei nicht nur zutiefst unmoralisch, sondern mittelfristig auch gefährlich, weil es dazu beigetragen könne, dass Gewalt und Extremismus neuen Nährboden fänden.

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