Lateinamerika nach Trump-Wahl zwischen Euphorie und Unsicherheit
Mexiko-Stadt/Buenos Aires ‐ Javier Milei will sofort in die USA fliegen, Mexikos Präsidentin freut sich über ein „herzlichen Telefongespräch“ und Nicolas Maduro will einen „Neustart“: Lateinamerika blickt gemischt auf den Wahlsieg Donald Trumps.
Aktualisiert: 08.11.2024
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In den Hauptstädten Lateinamerikas wartet man gespannt auf die ersten Signale des neuen US-Präsidenten. Zum Beispiel mit Blick auf das sozialistische Krisenland Venezuela: „Ich denke, dass niemand außer Trump selbst sagen kann, wie seine Haltung gegenüber Venezuela aussehen wird“, sagt Juan Miguel Matheus der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Mexiko-Stadt.
Matheus ist Vorstandsmitglied der venezolanischen Oppositionspartei „Primero Justicia“; sie gehört zu dem Bündnis, das die Wahlen vom 28. Juli wohl gewonnen hat. Allerdings ließ sich Machthaber Nicolas Maduro zum Sieger ausrufen und weigert sich bis heute - wie international gefordert - die Wahlakten zu veröffentlichen, die das bestätigen könnten.
Unabhängige Wahlbeobachter sahen den Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez vorne. Am 11. Januar endet die derzeitige Amtszeit von Maduro, anschließend soll er jedoch für sechs weitere Jahre vereidigt werden. Nun schaut ganz Venezuela nach Washington. Wie geht Wahlsieger Donald Trump mit der Krise in jenem Land um, das mit rund acht Millionen Menschen für die größte Migrationsbewegung auf dem südamerikanischen Kontinent in den vergangenen zehn Jahren gesorgt hat?
„Eine wichtige Frage wird sein, wie Trump mit den Anklagen umgehen wird, die das US-Justizministerium bereits gegen Nicolas Maduro und weitere Mitglieder der sozialistischen Führungsspitze erhoben hat“, sagt Matheus. Maduro gibt sich davon unbeeindruckt und unterstreicht die Bereitschaft zum Dialog und einem guten Verhältnis zu den Vereinigten Staaten.
Etwas mehr über die künftigen Absichten des neuen US-Präsidenten weiß Claudia Sheinbaum, denn die mexikanische Präsidentin hat bereits mit Donald Trump telefoniert. Es war ein „sehr herzliches“ Gespräch, ließ Sheinbaum anschließend wissen. Sie ist erst seit fünf Wochen im Amt und wird es in den nächsten vier Jahren mit einem neuen Ansprechpartner im Weißen Haus zu tun haben. Trump brachte im Wahlkampf einmal Strafzölle ins Spiel, wenn Mexiko nicht die „Drogen- und Migrantenschwemme“ stoppe.
Mexiko wiederum fordert von den USA, stärker gegen den illegalen Waffenhandel vorzugehen, denn Mexikos milliardenschwere Drogenkartelle verfügen über bessere und modernere Waffen als die staatlichen Sicherheitskräfte. Carlos Serrano, Chefvolkswirt der BBVA Mexiko, der größten Bank des Landes, sagte laut dem Portal „El Financiero“, Mexiko müsse „intelligent und geduldig“ mit Trumps drohenden Zollmaßnahmen umgehen, was immer das im Detail bedeuten mag.
Geradezu euphorisch ist die Stimmung in Argentinien. Dort erklärte der marktlibertäre Präsident Javier Milei am Donnerstag mit Blick auf seine eigene Wirtschaftspolitik: „Der Plan funktioniert.“ Die Rezession sei beendet, nun beginne die Phase des Wirtschaftswachstums. Die USA sieht Milei dabei als engen Partner. So plant er in der nächsten Woche eine Blitzreise zu Donald Trump. Bei diesem findet am 14. und 15. November in dessen Privatresidenz Mar-a-Lago die Conservative Political Action Conference statt, ein jährliches Treffen konservativer Aktivisten und Politiker.
Weniger zuversichtlich ist die Lageeinschätzung in Kolumbien und Brasilien. In Bogota kommt der linke Präsident Gustavo Petro mit seinem Friedensprozess nicht voran, dafür steigt die Kokainproduktion zum Missfallen Washingtons auf Rekordhöhen. Und in Brasilien spürt Präsident Lula da Silva bereits seit den schlechten Ergebnissen für seine linke Arbeiterpartei PT, dass die Stimmung im Land eher durchwachsen ist. Nun hofft sein rechtspopulistischer Widersacher Jair Bolsonaro, der eng mit Trump verbündet ist, auf ein ähnliches Comeback wie es der US-Amerikaner hingelegt hat.
Allerdings hat die Sache einen Haken: Bolsonaro ist mit einem Kandidaturverbot für die Wahlen 2026 belegt. Entschieden hat das die oberste Wahlbehörde im vergangenen Jahr. Sie wirft dem Rechtspopulisten politischen Machtmissbrauch und Missbrauch der Medien vor. Derzeit braucht Bolsonaro für jede Auslandsreise eine Genehmigung. Die ist offenbar gestellt: Bei der Amtseinführung Trumps im Januar in Washington will der Brasilianer dabei sein.
KNA