
„Die Gefahr ist immer gegenseitiges Aufschaukeln“
Washington ‐ Seit Tagen gehen die Menschen in Los Angeles gegen die Einwanderungspolitik von Donald Trump auf die Straßen. Nicht nur die Proteste könnten eine Zäsur in dessen Präsidentschaft markieren.
Aktualisiert: 11.06.2025
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Proteste in Los Angeles, Differenzen zwischen US-Präsident Donald Trump und Unternehmer Elon Musk: Die Schlagzeilen aus den USA wirken beunruhigend. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ordnet der Politik-Experte und Theologe Hardy Ostry die jüngsten Entwicklungen ein. Ostry ist Leiter des Washingtoner Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.
Frage: Herr Ostry, was geschieht da aktuell in Los Angeles? Sind das Aufstände, Proteste – oder friedliche Demonstrationen?
Hardy Ostry: Soweit wir das von Washington aus überblicken können, ist es eine Mischung: friedliche Proteste gegen Durchsuchungen und Festnahmen durch die Einwanderungspolizei. Dazu kommen dann auch gewalttätige Übergriffe, manchmal beginnend mit dem Wurf einer Plastikwasserflasche. Die Gefahr ist immer gegenseitiges Aufschaukeln, Reaktion und Gegenreaktion von gewaltbereiten Demonstranten und Polizei.
Frage: Was waren die Auslöser für die Proteste?
Ostry: Auslöser in Los Angeles waren Einsätze der Einwanderungspolizei gegen Menschen ohne gültige Papiere. Das gehört zu einem der Kernprojekte von Trumps zweiter Amtszeit, der Abschiebung möglichst vieler illegaler Einwanderer. Trump hat die Befugnisse der Einwanderungspolizei erweitert, andere Behörden aufgefordert zu helfen. Kritiker sagen, er überspannt hier die rechtlichen Möglichkeiten; die Angst ist groß. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass es auch zu Protesten kommt.
Frage: Warum schickt Trump die Armee in die Stadt?
Ostry: Das Weiße Haus sagt, die Bundestruppen seien notwendig, um die Aufstände niederzuringen und Bundesbeamte zu schützen. Kritiker sagen, Trump habe nur nach einem Anlass gesucht, um seine Befehlsgewalt über die Nationalgarde auszunutzen. Grundsätzlich sind die Nationalgarden Sache der Bundesstaaten; ihre Einsätze im Inneren müssen mit den Gouverneuren koordiniert werden.
Frage: Wie lässt sich das Vorgehen Trumps deuten?
Ostry: Dass ein Präsident einen Einsatzbefehl gegen den Willen des Gouverneurs gibt – so wie jetzt in Los Angeles – ist höchst selten. Kalifornien will deshalb klagen; und dieser Einsatz berührt sicher die Frage des Machtverhältnisses zwischen Bundesebene und Staatenebene. Hinzu kommt natürlich die Politik: Der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, ist Demokrat, Trump-Kritiker und möglicher Präsidentschaftskandidat. Hier versuchen also jetzt beide, als durchsetzungskräftige Politiker dazustehen.
Frage: Treten wir – nicht zuletzt auch mit Blick auf das Zerwürfnis zwischen Trump und Musk – in eine neue Phase von Trumps Präsidentschaft?
Ostry: Nun, manche Beobachter sagen, die negativen Schlagzeilen der vergangenen Woche über das Verhältnis von Trump und Musk waren ein Grund für die Härte, mit der der Präsident in Los Angeles vorgeht. Einwanderung ist noch immer ein Thema, in dem er in Umfragen vorn liegt - während die Meinung der US-Amerikaner über seine Wirtschaftspolitik gesunken ist. Nachdem das Zerwürfnis von Trump und Musk jetzt aus den Schlagzeilen verschwunden ist, müssen wir mal sehen, ob es wieder an Schärfe gewinnt, wenn das große Haushaltsgesetz im Kongress beschlossen wird. Musk hatte es ja heftig kritisiert und damit das Zerwürfnis ausgelöst.
Frage: Einen Sieger im Duell zwischen Musk und Trump scheint es derzeit nicht zu geben.
Ostry: Klar ist auch: Musk hatte seine Arbeit in der Regierung weitgehend abgeschlossen, der große Verwaltungsabbau, für den seine DOGE-Gruppe stand, ist an einem Punkt angekommen, wo es erst mal nicht weitergeht. Einige Ministerien fangen sogar wieder an, Leute einzustellen. Wenn man diesen radikalen Verwaltungsabbau und alles, was damit zusammenhängt, als Auftakt von Trumps zweiter Amtszeit sehen will, dann sind wir jetzt in der Ebene des Regierens angekommen. Das hohe Tempo, das Trump in den ersten Monaten an den Tag gelegt hat, kann nicht für immer so weitergehen.
Frage: Was macht eigentlich die katholische Kirche in dem Land? Immerhin sind die USA ja jetzt Papst.
Ostry: Die Einwanderungsdebatte ist ein zentrales Thema für die katholische Kirche hier, denn Nächstenliebe und Sorge für den Fremden gehört ja zu den zentralen Grundsätzen. Hinzu kommt, dass gerade die spanischsprachigen Katholiken zahlenmäßig zunehmen. Der Papst hat in seiner Pfingstbotschaft ja darüber gesprochen, dass die Kirche Grenzen zwischen Menschen öffnen muss und dass wir unsere Angst vor Fremden überwinden sollen. Das ist hier eindeutig auch als Appell an die Einwanderungspolitik der US-Regierung verstanden worden.
Frage: Bleibt die Spaltung der Bischofskonferenz des Landes.
Ostry: Wir haben in den vergangenen Jahren eine zunehmende Politisierung des katholischen Glaubens in den USA beobachtet, besonders durch konservative Gruppen. Der Episkopat gilt vielen Beobachtern, wenn nicht als gespalten, so doch zumindest als in zwei sich gegenüberstehende, oft unversöhnlich wirkende Gruppen von einerseits mehr dogmatisch-konservativen und andererseits pastoral-gesellschaftlich engagierten Hirten aufgeteilt. Nicht zufällig stimmt die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Gruppe zumeist mit der Tatsache überein, unter welchem der beiden letzten Inhaber des Stuhles Petri - Benedikt XVI. oder Franziskus – die Ernennungen erfolgten. Auch insofern ist die Wahl Prevosts vielsagend, da er zwar nicht als gehandelter Kandidat ins Konklave einzog, zugleich jedoch als Vorsitzender der vatikanischen Bischofsbehörde mit den Ernennungen der vergangenen Jahre auf Engste vertraut war.

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