Studie: Zustimmung zu Entwicklungspolitik bröckelt
Bonn ‐ Gestiegene Preise und angespannte Haushaltslage – die Menschen in Deutschland sorgen sich um die Zukunft. Geschrumpft ist deshalb laut einer Studie die Zustimmung dafür, Gelder in anderen Ländern zu verwenden.
Aktualisiert: 10.10.2024
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Die Unterstützung für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit nimmt laut einer Umfrage in der deutschen Bevölkerung ab. Wie das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) am Donnerstag in Bonn mitteilte, befürworten aktuell 47 Prozent der Befragten gleichbleibende oder erhöhte Ausgaben für die Entwicklungspolitik. Gegenüber 2022 sei das ein Rückgang um 21 Prozentpunkte.
Die Forscher führen das auf eine insbesondere durch den Krieg in der Ukraine verschärfte wirtschaftliche Lage im Land zurück. Dadurch bewerteten die Befragten die künftige persönliche und nationale Lage tendenziell negativer. Zwar gibt es nach Angaben des Instituts ein hohes Maß an Zustimmung für internationales Engagement in Notsituationen, etwa im Hinblick auf die Ukraine. Auf die Zustimmung zur Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen habe die angespannte Haushaltslage jedoch einen negativen Einfluss – auch, da hier im Vergleich zu anderen Politikfeldern am ehesten Möglichkeiten für Kürzungen gesehen würden.
Dabei erhalte die Entwicklungshilfe derzeit eine hohe mediale Aufmerksamkeit, sagte Institutsdirektor Jörg Faust. „Einerseits hat dies das Potenzial, mehr Raum für eine sachliche Auseinandersetzung mit einer wichtigen Thematik zu schaffen, andererseits birgt es die Gefahr einer zunehmend populistischen Debatte.“ Oftmals würden Einzelprojekte der Entwicklungszusammenarbeit nur unvollständig dargestellt, um dadurch deren Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit zu untergraben. „Das ist gerade angesichts vergleichsweise geringer Kenntnisse der Bevölkerung in diesem Politikfeld problematisch“, betonte Faust. Laut Umfrage ist nur ein Drittel der Bevölkerung nach eigenem Ermessen gut über Entwicklungspolitik informiert.
Auch die Zustimmung zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik, wie sie die Bundesregierung zu Beginn der Legislaturperiode im Dezember 2021 angekündigt hatte, ist demnach gesunken. Unterstützten im Januar 2023 noch 59 Prozent der Befragten dieses Leitbild, seien es aktuell nur noch 52 Prozent. Die Forscher warnen davor, dass der Begriff auf Grund seiner polarisierenden Wirkung die Debatte um Entwicklungspolitik sogar verschärfen könnte und mahnen deshalb, abzuwägen, in welchen Situationen er noch gebraucht werden sollte.
Für den Bericht nutzte das Institut nach eigenen Angaben Ergebnisse des Development Engagement Lab der Universitäten London und Birmingham, in dem jährlich aus mehreren Ländern, darunter auch Deutschland, je 6.000 Personen über ihr Wissen zum Thema Entwicklungszusammenarbeit befragt werden. Zudem erfasse auch das Institut zweimal jährlich unter rund 2.000 zufällig ausgewählten Personen in Deutschland online ein Meinungsbild zur Entwicklungspolitik.
Voraussichtlich wird der Bericht auch Einfluss auf die laufende Haushaltsdebatte haben. Denn die Bundesregierung plant eine Kürzung des Entwicklungsetats. Demnach soll der Haushalt des Entwicklungsministeriums im kommenden Jahr von aktuell 11,2 auf 10,3 Milliarden Euro sinken. Die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amts soll mit Hunderten Millionen Euro weniger auskommen. Der Bundestag, der das letzte Wort zur Verteilung des Geldes hat, verabschiedet den Haushalt für das folgende Jahr traditionell im Herbst.
Empfehlungen für die entwicklungspolitische Arbeit
In seinem Bericht gibt das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit in Reaktion auf die Ergebnisse auch eine Reihe von Empfehlungen, die sich insbesonder an die staatlichen Träger richten. Demnach sollten entwicklungspolitische Akteure ihre Strategien prüfen, die Kommunikation mit der Bevölkerung aktiv suchen, eine neue Balance der Interessen bei der Verknüpfung von Entwicklungszusammenarbeit und geo- bzw. sicherheitspolitschen Aspekten finden sowie den Begriff „feministische Entwicklungspolitik“ sehr sorgsam verwenden.
Implikationen für die entwicklungspolitische Strategie-, Kommunikations- und Bildungsarbeit
Implikation 1: Die Zustimmung zu EZ nimmt ab. Entwicklungspolitische Akteure sollten in dieser Situation mögliche Änderungen ihrer Strategien prüfen und die politische Kommunikations- und Bildungsarbeit mit Blick auf künftige Herausforderungen vorausschauend gestalten.
Implikation 2: Ein Großteil der Bevölkerung hat moderat positive, aber instabile Einstellungen zu Entwicklungspolitik.Für entwicklungspolitische Akteure bietet es sich an, die Kommunikation aktiv zu suchen, um so den bislang bestehendenentwicklungspolitischen Konsens aufrechtzuerhalten.
Implikation 3: Die zunehmende Verknüpfung von EZ und geo- beziehungsweise sicherheitspolitischen Aspekten führt zuneuen Spannungsfeldern in der Entwicklungspolitik; hier gilt es, eine neue Balance der Interessen zu finden und dieseentsprechend zu kommunizieren.
Implikation 4: Die polarisierende Wirkung des Begriffs „feministische Entwicklungspolitik“ erfordert eine sorgfältigeAbwägung, ob und wie das Label eingesetzt wird; konsensfähige Inhalte sollten umgesetzt und der Öffentlichkeit vermitteltwerden
Diese und weitere Informationen finden Sie im Meinungsmonitor Entwicklungspolitik 2024:
KNA /dr