Wie Influencer in Afrika Propaganda für Russland machen
Bonn/Cotonou ‐ Nathalie Yamb, Kemi Seba und Co. finden deutliche Worte, wenn es um Frankreich geht. In Videos wettern die Influencer unverhohlen gegen die einstige Kolonialmacht. Neuer Heilsbringer ist aus ihrer Sicht Wladimir Putin.
Aktualisiert: 10.10.2024
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Ihr Video steht seit gut einem Monat auf der Plattform Youtube und wurde mehr als 600.000 Mal aufgerufen. Fast 48 Minuten spricht Nathalie Yamb über Afrikas Sahelzone und betont, dass der Krieg dort zwar nicht beendet sei, aber gewonnen werde; wenn man sich nur hinter die Generäle, Soldaten und Regierungen stellen und nicht auf „Propaganda und Desinformation“ aus dem Globalen Norden hören würde. In Mali, Burkina Faso und Niger sind Juntas an der Macht und Wahlen nirgendwo in Sicht.
Damit findet die 55-Jährige, die meist die einstige Kolonialmacht Frankreich kritisiert, viel Gehör. Auch auf der Plattform X hat Yamb, die einen kamerunischen Vater und eine Schweizer Mutter hat, rund 446.000 Follower. Ganz oben auf ihrem Profil steht ein Video aus dem Jahr 2019. Darin spricht sie über die Kongokonferenz von 1884/85, auf der die europäischen Mächte Afrika auf dem Reißbrett unter sich aufteilten. Yamb sagt: „Frankreich behandelt Afrika bis heute als sein Eigentum.“
Aufgenommen wurde das Video ausgerechnet im russischen Sotschi während des ersten Russland-Afrika-Gipfels 2019. Wurden die Annäherungsversuche damals belächelt, wird die russische Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent heute mit Sorge betrachtet. Yamb erhielt nach ihrem Auftritt den Spitznamen Madame Sotschi, den sie längst zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Sie ist eine der bekanntesten afrikanischen Influencern, die für die russische Seite trommeln.
Das geopolitische Interesse an Afrika ist groß. Seit den Staatsstreichen in Westafrika – Mali machte im August 2020 den Anfang – wirbt Russland zunehmend um Verbündete. Einerseits geht es um Militärkooperationen. Wagner-Söldner, die nun Afrikakorps heißen, sind in mehreren Ländern stationiert. Russland präsentiert sich auch als Wirtschaftspartner. Im Mai wurde bekannt, dass man in Mali das größte Solarfeld in der ganzen Region errichten wolle. Auch das betonen Influencer.
Jubel für Militärherrscher im Sahel
Yamb führt wie Kemi Seba – auch er ist international bekannt, seine Familie stammt aus Benin – lange Monologe. Die Botschaften von Mutapa Bere auf TikTok sind hingegen kurz und prägnant: „Die russische Flagge ist auch unsere“, heißt es da beispielsweise. Militärherrscher im Sahel werden glorifiziert. Nach Recherchen der nigerianischen Plattform Dubawa, die Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt prüft, soll es sich bei dem Betreiber des TikTok-Kontos um einen Mann aus Simbabwe handeln. Viel mehr ist über ihn nicht bekannt.
Die Liste jener, die für Russland auf dem Kontinent Propaganda machen, wird zunehmend länger. Vergangenes Jahr kritisierte das Westafrika-Büro von Reporter ohne Grenzen den ivorischen Unternehmer Harouna Douamba. Der Vorwurf lautet, dass auf dessen Youtube-Kanal Wadjey's TV – er ist mittlerweile gesperrt – ein Beitrag zu sehen war, in dem schwere Vorwürfe gegen Frankreich erhoben wurden. Es hieß, französische Journalisten hätten von der Regierung große Geldsummen erhalten, um in Burkina Faso Interviewpartner für Falschaussagen zu bezahlen. In den Fokus gerieten demnach drei burkinische und zwei französische Journalistinnen. Letztere mussten binnen 24 Stunden das Land verlassen.
2023 untersuchte die in England erscheinende Zeitschrift „Africa Confidential“ Geldströme von Russland nach Afrika mithilfe geleakter Dokumente. Ergebnis: „Die Wagner-Gruppe hat westafrikanische Influencer in Sozialen Medien sowie Sender für Videos und Blogs bezahlt, die Frankreich angreifen und russische Narrative zum Ukraine-Krieg unterstützen.“
Offenbar gehört auch der in der kamerunischen Hafenstadt Duala ansässige Sender Afrique Media TV dazu. Laut „Africa Confidential“ reagierte er nicht auf entsprechende Anfragen. Für seine Russland-Freundlichkeit ist Afrique Media TV schon länger bekannt. So wurde Ende August ein angeblicher Student aus dem Kongo als Augenzeuge mit Sätzen zitiert wie: „Die ukrainische Seite bombardiert friedliche besiedelte Gebiete mit Methoden der terroristischen Kriegsführung.“ Auch sagte er: „Die Angriffe richten sich nicht gegen russische Streitkräfte, sondern gegen zivile Infrastruktur und die lokale Bevölkerung, um Einschüchterung und Panik auszulösen.“
2023 startete Russland zudem seine „African Initiative“ im Netz. Das Projekt bezeichnet sich offiziell als Informationsbrücke zwischen Afrika und Russland. Die Homepage erinnert an die anderer Nachrichtenagenturen und Plattformen. „Wir zeigen dem russischen Publikum die vielen Möglichkeiten für Russen in Afrika“, heißt es dort. Außerdem informiere man über das „neokolonialistische Erbe, mit dem die Länder Afrikas seit Jahrzehnten kämpfen“, sowie „über die Aktivitäten unseres Militärs, unserer Geschäftsleute, Ärzte und Journalisten auf dem Kontinent“. Die Botschaft ist klar: Russland stelle sich auf die Seite Afrikas. Die Gegenspieler heißen Europa und die USA.