Sviatoslav Shevchuk), Großerzbischof von Kiew und Oberhaupt der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, am 10. September 2024 in Berlin.

Ukrainischer Bischof: Nur ein gerechter Frieden ist nachhaltig

Alles tun für den Frieden – aber nicht um jeden Preis. Mit einem eindringlichen Appell wendet sich der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk an Kirche und Regierung in Deutschland.

Erstellt: 10.09.2024
Aktualisiert: 11.09.2024
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Der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk ruft die internationale Gemeinschaft auf, die Ukraine weiter zu unterstützen. „Wir wollen Frieden aus ganzem Herzen und ganzer Seele“, sagte er am Dienstagabend in Berlin – aber nicht um jeden Preis. Nötig sei ein „gerechter Frieden, weil nur ein gerechter Frieden authentisch und nachhaltig sein wird“. Dagegen dürften weder die Demokraten der Welt noch die Kirchen einen Frieden gutheißen, der Aggression als erfolgreiche Methode akzeptiere.

Der Vertreter der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche äußerte sich in einer Festrede beim Michaelsempfang der katholischen Kirche für Vertreter aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Prominentester Vertreter der Bundesregierung war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Der Krieg habe sich in einen Marathon verwandelt, bei dem die Ukrainerinnen und Ukrainer permanent im Sprinttempo laufen müssten, um in diesem Todesrennen nicht geschlagen zu werden, so Schewtschuk weiter: „Ich bitte Sie, mit uns zu laufen – schnell, standhaft und furchtlos“. Russland weigere sich, die Ukraine rechtlich als Staat anzuerkennen und verwehre ihr ein ureigenes Existenzrecht.

Es sei politisch verfehlt und strategisch unklug zu glauben, die Logik, die demokratische Nationen und Völker leite, gelte auch für totalitäre Machthaber und Diktatoren. Stattdessen sei ein Bekenntnis zur Demokratie notwendig. Die Demokratie sei es wert, „auch um den Preis des eigenen Wohlbefindens, der eigenen Gesundheit und sogar des eigenen Lebens verteidigt zu werden“.

Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk (Kyjiw-Halytsch)
Bild: © Gordon Welters/KNA

Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk (Kyjiw-Halytsch) sitzt neben Bundeskanzler Olaf Scholz am 10. September 2024 in Berlin

Bätzing kritisiert russisch-orthodoxe Kirche

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, betonte in seiner Ansprache, dass die katholische Kirche weiter solidarisch an der Seite des angegriffenen Landes stehe. „Die Selbstverteidigung der Ukraine ist legitim, ebenso die Unterstützung der Ukraine durch große Teile der internationalen Gemeinschaft“, so Bätzing weiter. Jede Form der Verherrlichung des Krieges sei Katholiken fremd, aber es gebe Situationen, in denen nach menschlichem Ermessen auf den militärischen Widerstand nicht verzichtet werden könne.

Zugleich kritisierte der Limburger Bischof die russisch-orthodoxe Kirche. Es sei abstoßend zu sehen, wie sie sich zur Stichwortgeberin und Claqueurin der Moskauer Regierung gemacht habe. Bischof Schewtschuk dagegen habe 2022 auf der Todesliste einer russischen Spezialeinheit gestanden und sei einem Anschlag nur knapp entronnen. „Sie stehen stellvertretend für das Zeugnis vieler in der Ukraine“, würdigte Bätzing den Großerzbischof: „Es ermutigt uns, den verbrecherischen Realitäten ins Gesicht zu schauen und zugleich über die Gewalt hinaus zu denken“.

Auf die aktuelle Lage in Deutschland bezogen rief Bätzing zu mehr Zusammenhalt auf. Bei der Suche nach Lösungen gelte es, sich nicht gegeneinander aufwiegeln zu lassen und dafür zu sorgen, dass Polarisierungen nicht weiter zunähmen. Die Europawahlen im Juni und die letzten Landtagswahlen hätten gezeigt, wie stark die Anziehungskraft von Politikentwürfen sei, die sich gegenüber dem Weltgemeinwohl desinteressiert zeigten. Mit Blick auf die Wahlergebnisse der AfD bekräftigte Bätzing: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar.“ Hier sei noch viel Überzeugungsarbeit notwendig, doch es lohne sich, für eine menschenwürdige Gesellschaft und eine menschengerechte Welt zu streiten.

Zur aktuellen Migrationsdebatte und den vielen Rufen nach Verschärfungen bei der Asylgesetzgebung fügte er hinzu, Kirche müsse aus dem christlichen Menschenbild heraus Position beziehen. Dazu gehöre zum Beispiel, die Not der Schutzsuchenden zu sehen und für einen rechtsstaatlichen und menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten einzutreten.

In den Debatten über Sterbehilfe und über eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung stehe die katholische Kirche für konsequenten Lebensschutz „am Anfang und am Ende des Lebens“, so Bätzing weiter. Alle Versuche, diesen Lebensschutz abzustufen, „erfüllen uns mit Sorge“, ergänzte der Bischof. Er sehe die Komplexität dieser Themen und plädiere nicht für einfache Lösungen, aber „ich bitte sehr, den Schutzanspruch des Menschen am Anfang und am Ende seines Lebens gegenüber anderen Rechtsgütern nicht geringer zu gewichten“.

KNA

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