Länder der Afrikanischen Union (ohne Marokko) mit ihren Flaggen.
Putin entscheidet über volle oder leere Mägen

Spannungen vor Russland-Afrika-Gipfel

Pretoria  ‐ Gleich zwei internationale Gipfel zwischen Afrika und Russland stehen an. Doch als per Haftbefehl gesuchter mutmaßlicher Kriegsverbrecher wird Putin nicht nach Südafrika reisen. Dennoch hat er große Pläne für den Kontinent.

Erstellt: 26.07.2023
Aktualisiert: 26.07.2023
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Mandela, Rugby und jetzt auch noch Putin: Sie alle verstehen es, Südafrika vor den Bildschirmen zu versammeln. Russlands Präsident muss allerdings auf ein Millionenpublikum verzichten. Seine Zuschauer sind die Delegierten des 15. BRICS-Gipfels, zu dem Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika von 22. bis 24. August in Johannesburg zusammenkommen. Weil Südafrika angekündigt hat, den internationalen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen vollstrecken zu wollen, wird Putin online aus Moskau zugeschaltet.

Trotz der diplomatischen Niederlage hat der Autokrat noch große Pläne für den Kontinent. Und die will er beim Afrika-Russland-Gipfel verkünden, der ab Donnerstag in Sankt Petersburg tagt.

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Hunger und Konflikt, wohin man schaue: „In dieser herausfordernden Umwelt freuen wir uns, mit unseren afrikanischen Partnern an einer Kooperationsagenda zu arbeiten, die niemanden ausschließt“, betonte Putin am Wochenende mit Blick auf den zweiten Afrika-Russland-Gipfel. Beobachter sehen in dem „Wirtschaftlichen und Humanitären Forum“ eine weitere Propagandaübung: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werben sowohl Moskau als auch Kiew akribisch um Verbündete auf dem afrikanischen Kontinent. Es geht um Rohstoffe und Stimmen bei den Vereinten Nationen.

Schockwelle

Vergangene Woche hatte Putins Ankündigung, das Schwarzmeer-Getreide-Abkommen nicht zu verlängern, eine Schockwelle in Afrika ausgelöst. Etliche Regionen dort leiden unter dürre- und konfliktbedingtem Hunger. Unter dem Schwarzmeer-Deal gelangten 725.000 Tonnen ukrainisches Getreide an das UN-Welternährungsprogramm, das die Ärmsten der Welt versorgt. In Kenia bezeichnete ein Regierungssprecher die Nicht-Verlängerung als „Stich in den Rücken“.

Nun dürfte Putin erneut über volle oder leere Mägen entscheiden. Eine Reihe afrikanischer Anführer werde ihn beim Gipfel drängen, das Schwarzmeer-Getreide-Abkommen wiederaufzunehmen, prognostizierte am Wochenende das Fachmagazin „The Africa Report“. Doch ihnen könnte Putin mit Zusagen in Sankt Petersburg den Wind aus den Segeln nehmen. Am Sonntag versicherte er: „Unser Land ist imstande, ukrainisches Getreide sowohl kommerziell als auch kostenlos zu ersetzen, zumal wir dieses Jahr erneut eine Rekordernte erwarten.“

Der Kreml-Chef als Retter Afrikas? Für Putin wäre das eine symbolschwere Imagepolitur nach dem BRICS-Debakel. In Südafrika war die Opposition vor Gericht gegangen, um die Regierung dazu zu zwingen, Putin festzunehmen, sollte er einen Fuß auf südafrikanischen Boden setzen. Vergangene Woche kam die offizielle Absage. Dass Russlands Staatschef nicht zu dem Treffen der Schwellenländer reisen kann, sorgte für hämische Berichterstattung in westlichen Medien.

Gipfel in Südafrika wohl ohne Putin

In Südafrika begrüßten Menschenrechtler und Religionsführer die Entwicklung. Sie kam knapp einen Monat nach dem gescheiterten Aufstand der Wagner-Söldner vor Moskau. Das paramilitärische Sicherheitsunternehmen unterstützt seit mehreren Jahren auch Regime in Afrika. Ob geplünderte Diamanten und Gold weiterhin nach Russland gehen, ist nach dem mutmaßlichen Bruch zwischen Putin und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin fraglich. „Putin wird immer isolierter“, meint naturgemäß die ukrainische Botschafterin im südafrikanischen Pretoria, Liubov Abravitova.

Aufatmen kann nach der Putin-Absage auch Präsident Cyril Ramaphosa: Einst als Hochburg für Menschenrechte und Solidarität mit Unterdrückten bekannt, litt Südafrikas Ansehen in den vergangenen Monaten zunehmend unter der Nähe zu Russland. Politiker des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) wurden in Moskau hofiert, der russische Außenminister Sergej Lawrow in Pretoria.

Im Schatten des aufgekündigten Getreide-Abkommens

Offiziell beansprucht Südafrika Neutralität im Ukraine-Krieg. Als Teil einer afrikanischen Friedensinitiative reiste Ramaphosa im Juni gemeinsam mit den Präsidenten und Regierungsvertretern sechs weiterer Staaten nach Kiew und Moskau. Politologen lobten den Einsatz. Jedoch sei der Friedensplan der Afrikaner laut einem Kreml-Sprecher nur schwer umsetzbar.

Die osteuropäischen Kriegsgegner lieferten sich am Wochenende erneut ein Wortgefecht über die Medien. Am Aus des Getreide-Abkommens sei die Ukraine selbst schuld; schließlich gingen 70 Prozent ihrer Exporte in reiche Regionen wie die EU, behauptete Putin. Selenskyj wiederum verglich Putin im Interview der südafrikanischen „City Press“ mit „Hitler“. Der Chefredakteur des Blatts, Mondli Makhanya, sieht in dem bevorstehenden Treffen afrikanischer Staatschefs in Sankt Petersburg einen weiteren Teil der russischen Propagandamaschinerie. In „Moskaus traurigem Afrika-Zirkus“ sei Putin der Direktor – aber: „Wer sind die Clowns?“

Von Markus Schönherr (KNA)

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