Ein weggeworfener Plastikbecher liegt am 20. August 2024 an einer Hecke neben einer Straße in Bonn.
Jung und engagiert Selbstwirksamkeit erleben

Mit Müllsammeln gegen die Klimaangst

Bonn/Braunschweig  ‐ Die „Trash Tracker“ sammeln Müll in Braunschweig – und tun so aktiv etwas für den Naturschutz. Umweltpsychologen zufolge hilft das Engagement in der Gruppe, sich angesichts der Klimakrise weniger hilflos zu fühlen.

Erstellt: 01.09.2024
Aktualisiert: 28.08.2024
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Von Hannah Schmitz (KNA)

Immer wenn Christopher Kloska an achtlos liegengelassenem Müll auf der Straße vorbeigegangen ist, hat er sich geärgert. „Was ist das für ein Verhalten, hab ich mich gefragt“, berichtet der 29-Jährige. Irgendwann hat er angefangen, ein oder zwei Getränkepackungen oder Zigarettenschachteln aufzuheben. Inzwischen ist Kloska der führende Kopf des Vereins „Trash Tracker“ in Braunschweig. Die Trash Tracker treffen sich etwa zweimal im Monat, um gemeinsam auf öffentlichen Plätzen oder in Parks Müll zu sammeln. „Das hat mir sehr geholfen, mich weniger ohnmächtig zu fühlen“, sagt er.

Die Angst vor den Auswirkungen des Klimawandels sei in seinen Gedanken eine zeitlang omnipräsent gewesen. Mit dieser Klimaangst ist Kloska nach Angaben der Umweltpsychologin Paula Blumenschein nicht allein. Sie sei zwar eine bislang wenig erforschte Emotion, aber: „Es gibt dazu deskriptive Erkenntnisse, dass viele, vor allem junge Menschen, diese Angst haben.“

Sie sei keinesfalls irrational, im Gegensatz etwa zu pathologischen Ängsten wie jener vor Spinnen oder Aufzügen. „Zudem ist Klimaangst bei den allerwenigsten so groß, dass sie ihren Alltag nicht bewältigen können“, erklärt Blumenschein, die im Frühjahr mit anderen Autoren und Autorinnen ein Buch zur Psychologie von Klimaprotest und Engagement veröffentlicht hat. Im Gegenteil: Einiges spreche dafür, dass Klimaangst sich eher positiv auf das Handeln auswirke.

Immer mehr schließen sich an

Kloska fand in seinem Tennis-Kumpel Shahryar Tavana einen Mitstreiter; aus Spaß dachten sie sich irgendwann einen Namen für eine Müllsammel-Gruppe aus. Auch die Freundinnen der beiden stiegen mit ein. „Wir hatten den Mut, Präsenz zu zeigen. Es war uns nicht peinlich, uns öffentlich hinzustellen und zu sagen, dass wir Müll sammeln“, erinnert sich Kloska, der hauptberuflich im Digital-Marketing arbeitet.

Über Öffentlichkeitsarbeit schlossen sich nach und nach Braunschweiger der Gruppe an – aktuell zählt der Verein rund 30 Mitglieder, weitere 30 sind immer mal wieder bei Müllsammel-Aktionen dabei oder Teil der WhatsApp-Gruppe. Seit 2021 haben die Trash Tracker inzwischen rund zweieinhalb Tonnen Müll gesammelt.

Kloska beschreibt sich selbst eher als Typ Einzelkämpfer - auf einmal mit wildfremden Leuten gemeinsam Müll zu sammeln, sei gewöhnungsbedürftig gewesen. „Wir mussten uns erstmal herantasten: Wir dachten, wir machen einfach keine langen Reden oder Vorstellungsrunden, sondern drücken jedem einen Greifer in die Hand, und los geht's.“ Das Konzept ist offenbar aufgegangen: „Die Leute kamen immer wieder. Das hat mir gezeigt, dass wir irgendwas richtig machen.“ Allerdings seien zwischendurch auch Menschen abgesprungen. „Da muss man auch lernen, es nicht persönlich zu nehmen“, sagt der Braunschweiger.

Christopher Kloska mit Infomaterial des Vereins "Trash Tracker" am 21. Juni 2023 in Braunschweig.
Bild: © Nadja Winter/KNA

Christopher Kloska mit Infomaterial des Vereins Trash Tracker Braunschweig.

Ungerechtigkeitsempfinden als Motivator

Inzwischen habe sich bei den Trash Trackern ein harter Kern etabliert. „Der soziale Faktor, die Kontakte, sind der Grund, warum wir weitermachen“, ist Kloska überzeugt. In seinem Engagement erlebt er eine große Selbstwirksamkeit. „Mir ist erst nach etwa einem Jahr bewusst geworden, dass ich mich nicht mehr so hilflos fühle.“ Er habe weniger Nachrichten konsumiert und sich viel weniger mit Weltthemen beschäftigt. „Weil ich zufrieden war mit meinem Fokus auf den lokalen Naturschutz. Da gibt es so viel Potenzial“, sagt Kloska.

Laut Umweltpsychologin Blumenschein ist Wirksamkeit eine von drei Säulen, die Menschen zum Klimaschutz motivieren. Zunächst spiele die soziale Identität ein große Rolle – um sich einer Gruppe wie zum Beispiel den Trash Trackern oder auch „Fridays for Future“ anzuschließen, müssen also die eigenen Werte, Überzeugungen und Ziele mit denen der Gruppe übereinstimmen und ein Verbundenheitsgefühl bestehen. „Ungerechtigkeitsempfinden ist ein weiterer großer Motivator“, sagt Blumenschein. Und wer schließlich davon überzeugt ist, dass sein persönliches oder das gemeinsame Handeln etwas zum Klimaschutz beiträgt, engagiert sich eher.

„Wenn ich viel Angst habe, aber keine Hoffnung und kein Wirksamkeitserleben, resigniere ich womöglich eher“, erklärt die Expertin. „Der ideale Weg ist also nicht, Menschen Angst zu machen, sondern ihnen Mut zu machen, sich mit anderen gemeinsam zu engagieren, damit sie sich mit ihrer Klimaangst nicht allein fühlen.“

Einfach anfangen

Christopher Kloska ist nach eigenen Worten stolz auf das, was er erreicht hat. „Aber es schwankt auch Richtung Druck. Dieses Jahr stagniert der Zulauf an neuen Leuten zum Beispiel etwas“, berichtet der Umweltschützer. „Man denkt selbst, das man immer noch eine Schippe drauf legen muss. Aber vielleicht reicht es, wenn man es auch mal laufen lässt.“

Auch mal „Nein“ zu sagen, dazu rät Blumenschein sogar: „Manchmal ist es besser, eine Aktion weniger zu machen und stattdessen die Ressourcen der Gruppe wieder aufzubauen.“ Sie wirbt für ein „resilientes Engagement“, bei dem man mit den eigenen Kräften haushaltet. Sie empfiehlt zudem, mit der Naturschutz- oder Klimagruppe auch mal etwas außerhalb des Engagements zu machen, „um einfach mal Spaß zu haben“.

Das hat sich bei den Trash Trackern längst eingebürgert: Einmal im Quartal gehen die Müllsammler gemeinsam in eine Bar oder zu einem Vortrag. „Das kommt gut bei den Leuten an“, sagt Kloska. Er ist überzeugt: Wer sich für die Natur einsetzen will, der solle einfach anfangen. „Das muss nicht ausgereift sein – einfach machen.“

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