Niger wird wegen Uran-Vorkommen zum geopolitischen Zankapfel
Bonn/Niamey ‐ Der Kampf um westafrikanische Bodenschätze ist in vollem Gange. Mit Spannung wird beobachtet, welche Rolle Russland dabei künftig spielt. Wird Moskau zur neuen Führungsmacht in der Sahelregion?
Aktualisiert: 09.07.2024
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Der Sahelstaat Niger, eines der ärmsten Länder weltweit, positioniert sich klar gegenüber Frankreich. Die seit knapp einem Jahr herrschende Militärjunta, an deren Spitze General Abdourahamane Tiani steht, hat dem französischen Unternehmen Orano eine Uran-Abbaulizenz entzogen. Seit Anfang Juli hat auch das kanadische Unternehmen GoviEX keine Genehmigung mehr für den Betrieb der Uranmine Madaouela.
Für politische Beobachter aus dem Globalen Norden ist die Botschaft deutlich: Das Land geht neue Wege und akzeptiert teils jahrzehntealte Verträge nicht mehr, die Vorgängerregierungen abgeschlossen hatten. Ein oft gehörtes Argument lautet in diesem Zusammenhang: Trotz wertvoller Bodenschätze ist Niger bitterarm.
Auf dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen belegt Niger (Bevölkerung: 26 Millionen) Platz 189 von 193. Nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) benötigten vergangenes Jahr 4,3 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, 600.000 mehr als noch im Jahr zuvor. „Von unserem Uran profitieren wir nicht“, sagt Almoustapha Alhace der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er begann 1978, in einem Bergwerk bei Arlit zu arbeiten. Nachdem Kollegen krank wurden, gründete er 2000 die Organisation „Aghirin'man“ und ist heute einer der lautesten Kritiker des Uranabbaus.
Auf seiner Homepage bezeichnet der Konzern Orano die Imouraren-Mine südlich von Arlit indes als „Bergwerk der Zukunft“. Was die nigrische Junta dem Unternehmen vorwirft: Es baue gar nichts ab. Deshalb habe man die Lizenz entzogen. Orano argumentiert, man wolle auf bessere Marktbedingungen warten. Erst vor einem guten Jahr – damals war der abgesetzte Präsident Mohamed Bazoum noch an der Macht – hatten beide Seiten einen Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Orano erwägt nun rechtliche Schritte.
Für Frankreich geht es ums Eingemachte
Der Lizenzentzug ist mehr als ein Warnsignal an die einstige Kolonialmacht Frankreich. Lokalen Medienberichten zufolge wird diese im Sahel immer unbeliebter; Meinungsumfragen dazu fehlen allerdings. In Mali etwa wurde Paris Ende Juni beschuldigt, gefälschte Banknoten – die Gemeinschaftswährung CFA-Franc von 14 afrikanischen Staaten wird bis heute in Frankreich gedruckt – in Umlauf gebracht zu haben.
Bei der in Niamey getroffenen Uran-Entscheidung geht es für die Franzosen nun ums Eingemachte: Zugang zu Rohstoffen, die Sicherung lukrativer Aufträge, das Spannen und Pflegen wichtiger Netzwerke – und nicht zuletzt um politischen Einfluss. Möglich machte das seit Ende der Kolonialzeit das Konzept „Francafrique“: Mit der Unterstützung von pro-französischen Politikern blieb Frankreich einflussreich und erhielt Zugang zu begehrten Bodenschätzen.
In Niger ist das vor allem Uran. So war der Sahelstaat 2022 nach Informationen der World Nuclear Association sechstgrößter Produzent weltweit. Die Minen liegen im Nordwesten des Landes. Drei wurden bisher mit bedeutender französischer Beteiligung betrieben. So hält Orano beispielsweise 63,4 Prozent der Bergbaugesellschaft Somair, die das Metall in der Nähe der Stadt Arlit abbaut.
Bereits nach dem Putsch Ende Juli 2023 gab es Spekulationen über den Fortbestand der Uranlieferungen für Frankreich, wo Atomkraftwerke etwa 70 Prozent des Stroms liefern. Größter Lieferant im Jahr 2022 war laut der Tageszeitung „Le Monde“ jedoch Kasachstan.
Spekuliert wird nun, wie sehr Russland von der Entwicklung profitiert. Ein Bericht des US-amerikanischen Wirtschafts-Informationsdienstes Bloomberg, in dem die Rede von Gesprächen zwischen der Junta und dem russischen Atomkonzern Rosatom ist, wurde von russischer Seite zurückgewiesen.
Dennoch ist die Sahelzone ein neuer geopolitischer Spielball. Das russische Interesse ist auch deshalb groß, weil sich die Militärregierungen von Mali, Burkina Faso und Niger bewusst von Frankreich abgewandt haben und neue Verbündete suchen. Kontakte - seinerzeit noch zur Sowjetunion - gibt es seit dem Kalten Krieg. Im Westen befürchtet man vor diesem Hintergrund, dass militärische Kooperationen zwischen Russland und den Sahelstaaten entstehen könnten. Vom nigrischen Uran profitiert außerdem schon länger China. Das Bergbauunternehmen Azelik beispielsweise gehört mehrheitlich chinesischen Investoren.