Afrika will eigene Impfstoffe produzieren
Finanzierungssystem geht an den Start

Afrika will eigene Impfstoffe produzieren

Paris ‐ Während der Corona-Pandemie ist deutlich geworden, wie wichtig eine schnelle und regionale Produktion von Impfstoffen ist. Schlusslicht ist Afrika. Die Abhängigkeit vom Globalen Norden, aber auch von Indien ist enorm.

Erstellt: 22.06.2024
Aktualisiert: 21.06.2024
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Von Katrin Gänsler (KNA)

Im Rahmen des Globalen Forums für Impfstoffsouveränität ist am Donnerstag in Paris der African Vaccine Manufacturing Accelerator (AVMA) eingeweiht worden. Es handelt sich um ein Finanzierungssystem, um die Impfstoffproduktion auf dem afrikanischen Kontinent voranzutreiben. Nach Informationen der internationalen Impfallianz Gavi werden dort bislang nur 0,1 Prozent aller Impfstoffe produziert, obwohl 20 Prozent der Weltbevölkerung in Afrika lebt.

Ziel ist, dass AVMA, eine Initiative von Gavi zusammen mit den Afrikanischen Zentren für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (Africa CDC), in den kommenden zehn Jahren mehr als 800 Millionen in Afrika hergestellte Impfdosen einkauft. Derzeit steht eine Summe von rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Einzelne Länder hatten am Donnerstag ihre finanzielle Unterstützung zugesagt.

Die EU kündigte an, die Initiative mit mehr als 750 Millionen Euro zu unterstützen. Die Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, sagte, sie sei „der nächste Schritt auf dem Weg zu dem Ziel, dass 60 Prozent der benötigten Impfstoffe in Afrika selbst hergestellt werden“. Afrikas Autonomie solle gestärkt und die weltweite Vorsorge gegen künftige Gesundheitsgefahren unterstützt werden.

Bereits im Mai 2023 hatten die AU und Gavi eine Absichtserklärung unterzeichnet, um Impfstoffe in afrikanischen Ländern leichter und schneller zugänglich zu machen. 2017 hatten afrikanische Staats- und Regierungschefs zudem der „Erklärung von Addis zum Impfen“ (ADI) zugestimmt, um überall auf dem Kontinent den Zugang zu vollem Impfschutz voranzutreiben. Sie beinhaltet die Zusage, Geld für Immunisierungskampagnen bereitzustellen und diese auf politischer Ebene voranzutreiben.

Nigeria ist bereits poliofrei

Eine Reihe an Erfolgen hat der Kontinent mittlerweile verbucht. Laut WHO konnten durch Impfungen in den vergangenen 50 Jahren gut 51 Millionen Menschenleben gerettet werden. 2020 erhielt Nigeria als drittletztes Land weltweit den Status „poliofrei“. In den vergangenen Wochen haben verschiedene Länder zudem die ersten Mosquirix-Dosen erhalten, wie der Produktname des Malaria-Impfstoffes lautet. Er gilt als Meilenstein im Kampf gegen die von Mücken übertragene Infektionskrankheit Malaria. Laut Kinderhilfswerk Unicef sterben jährlich 500.000 Kinder daran.

Im Kampf um besseren Impfschutz haben auch Religionsgemeinschaften eine zentrale Aufgabe. In den 2000er Jahren wurde etwa im muslimisch geprägten Nordnigeria behauptet, Polio-Impfungen beeinträchtige die Fruchtbarkeit von Frauen und verbreite HIV. Eine Delegation besuchte daraufhin andere muslimische Länder für einen Erfahrungsaustausch zu Immunisierungskampagnen. Die Bundesregierung in der Hauptstadt Abuja ließ Impfstoffe auf Unbedenklichkeit testen. Laut einer im April vom Sender BBC veröffentlichten Recherche predigte auch der einflussreiche evangelikale Pastor Chris Oyakhilome aus Nigeria mehrfach gegen die neue Malaria-Impfung.

Angst vor Impfungen schüren allerdings islamistische Terrorgruppen. Am Horn von Afrika warnte Al-Shabaab 2021 lokalen Medienberichten zufolge während der Corona-Pandemie vor dem Gebrauch von Astra-Zeneca. Im Norden Nigerias ermordete die Terrormiliz Boko Haram 2013 medizinisches Personal bei einer Massenimpfung gegen Polio in der Stadt Kano.

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