Objektive und Objekthalter eines Mikroskops. Symbolbild Labor, Forschung, Medizin, Mikrobiologie, Viren, Virus, Gesundheit (2024)
Togo und Pakistan kämpfen gegen Neuinfektionen

Lepra – Die vergessene Krankheit aus der Bibel

Bonn  ‐ In Deutschland kennen Lepra viele allenfalls aus dem Religionsunterricht. In Afrika und Asien gehört die chronische Infektionskrankheit aber für viele Menschen zum Alltag; mit gravierenden Folgen.

Erstellt: 26.01.2025
Aktualisiert: 21.01.2025
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Von Katrin Gänsler (KNA)

Die einen erinnern sich an die biblische Krankheit, die mitunter als Strafe Gottes galt. Die anderen halten Lepra für längst vergessen und sind überzeugt, dass die Krankheit im 21. Jahrhundert keine Rolle mehr spielt. Doch weit gefehlt: Bis heute erkranken jährlich rund 200.000 Menschen weltweit neu.

2023 waren es nach Informationen der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) 182.815; doch die Dunkelziffer ist hoch. Am 26. Januar, dem Welt-Lepra-Tag, wird weltweit auf die durch den Erreger Mycobacterium leprae ausgelöste chronische Infektionskrankheit aufmerksam gemacht – und auch darauf, dass sie in einigen Ländern durchaus Chancen hat, bald ausgerottet zu sein.

Neben Pakistan, wo die bekannte katholische Ordensfrau Ruth Pfau jahrzehntelang gegen Lepra kämpfte, gehört Togo dazu. Das westafrikanische Land mit rund neun Millionen Einwohnern belegt Platz 163 von 193 auf dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen. Im ländlichen Raum liegt die Armutsrate laut Weltbank bei knapp 59 Prozent. Vor allem dort ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung schwierig. Ohnehin mangelt es an medizinischen Fachkräften. Laut Weltgesundheitsorganisation gab es 2021 statistisch betrachtet gerade einmal einen halben Arzt (0,585) für 10.000 Einwohner.

Von Dermatologen ganz zu schweigen, sagt Denis Gadah, der in Togos Hauptstadt Lomé das DAHW-Büro leitet. Im ganzen Land gebe es gerade einmal 19, von denen 16 in der Hauptstadt praktizierten, zwei weitere in Kara, der drittgrößten Stadt im Norden des Landes. Sichere Diagnosen zu stellen, ist aber noch aus einem anderen Grund schwierig. „Selbst Fachpersonal kennt das Krankheitsbild Lepra oft nicht mehr“, sagt Gadah. Dabei infizieren sich jährlich rund 100 Menschen neu damit.

Dennoch ist Gadah zuversichtlich, dass es ab 2031 heißt: „Null Lepra in Togo“ – also keine Neuinfektionen mehr. Grund für den Optimismus ist unter anderem die Zusammenarbeit mit der Regierung sowie die aktive Suche nach neuen Fällen. Teams sind in entlegenen ländlichen Regionen unterwegs, sprechen über Lepra und bringen ihre mobile Klinik gleich mit. Wichtig für die Eindämmung sei auch, Kontaktpersonen von Infizierten aufzuspüren und Mittel zur Vorbeugung auszugeben, so Gadah.

Vertrauen durch Präsenz

Präsenz vor Ort schafft Vertrauen. Die ist dringend nötig. Denn bis heute sind Erkrankte stigmatisiert. Je nachdem, wie stark die Krankheit fortgeschritten ist, sieht man ihnen diese sofort an. Ausgrenzung gibt es sogar über den Tod hinaus: Wenn in Togo Erkrankte sterben, werden die Leichen mitunter im Wald begraben oder auf einer speziell ausgewiesenen Fläche beerdigt.

Deshalb will niemand mit Lepra in Verbindung gebracht werden. „Menschen haben Angst, ihr soziales Umfeld zu verlieren“, sagt Achim Hörauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Universität Bonn und Sprecher des Deutschen Netzwerkes für die Bekämpfung der vernachlässigten Tropenerkrankungen. Denn in einigen Ländern gibt es bis heute spezielle Lepra-Dörfer. Sie bieten zwar Schutz vor Stigmatisierung, aber kaum Möglichkeiten, um überhaupt Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen.

„Menschen versuchen deshalb, die Diagnose zu verschleiern“, sagt Hörauf. Dabei sei das nicht nötig: Nach einer sechs- bis zwölfmonatigen Behandlung - behandelt wird mit einer Kombination verschiedener Antibiotika – könnten sie sogar geheilt werden. Eine Therapie gibt es laut DAHW bereits seit 1982.

Die meisten Neuinfektionen verzeichnet bis heute Indien, 2023 waren es mehr als 90.000 Fälle. Im Bundesstaat Madhya Pradesh arbeitet DAHW auch mit einer katholischen Ordensfrau zusammen, Schwester Julia Thundathil. Sie weist darauf hin, dass Mädchen und Frauen im besonderen Maße an der Krankheit und den Folgen leiden. Einige würden zu Hause versteckt. Das Risiko, Opfer von häuslicher Gewalt zu werden, sei hoch. Eigenes Geld zu verdienen und mehr Unabhängigkeit von Ehemännern zu erlangen, daran sei nicht zu denken.

Wichtiger Baustein der Arbeit sei deshalb nicht nur die medizinische Komponente, sondern auch die wirtschaftliche. So haben im Dorf Pati betroffene Mädchen und Frauen die Möglichkeit, das Schneiderhandwerk zu erlernen oder Makramee-Kunstwerke herzustellen. Die Erkrankung lässt sich, wenn sie etwa wegen fehlender Behandlung zum Verlust von Gliedmaßen geführt hat, zwar nicht rückgängig machen. Verdienstmöglichkeiten verschaffen aber mehr Respekt und Unabhängigkeit.

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