Argentiniens Präsident sucht das Gespräch mit der Kirche
Buenos Aires ‐ Die neue Regierung im Heimatland des Papstes baut nach der Kritik von Javier Milei offenbar Brücken zur Kirche und zu Papst Franziskus. Derweil sprechen die Bischöfe die Armut im Land deutlich an.
Aktualisiert: 11.01.2024
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Seit einem Monat ist Javier Milei nun Argentiniens Präsident. Umgesetzt hat der marktliberale Ökonom zahlreiche Wahlversprechen mit Hilfe eines Notstandsdekrets, mit dem er die schwere Wirtschaftskrise in den Griff bekommen will. Nach den Deregulierungsmaßnahmen für die Wirtschaft, erleichterten Privatisierungen und einer Reduzierung des Kabinetts auf nur noch neun Ministerposten hoffen die Argentinier auf ein Ende der Krise.
Das kann sich hinziehen. Milei selbst kündigte zwei schwere Jahre an. Die Opposition rüstet derweil zum ersten Streik. Für den 24. Januar riefen die Gewerkschaften, die traditionell dem lange regierenden linkspopulistischen Peronismus nahestehen, zu einem Generalstreik auf. Ein erstes Kräftemessen zwischen Regierung und Opposition.
Das Regierungslager sucht unterdessen die Annäherung zur katholischen Kirche. Karina Milei, Schwester des Präsidenten, die als seine wichtigste Ratgeberin gilt, traf sich jüngst mit der Spitze der argentinischen Kirche. Die Begegnung fand laut der linksgerichteten Zeitung „Pagina 12“ in der Casa Rosada statt, dem Präsidentensitz. Fühler hatte die neue Führung aber gleich zu Beginn ausgestreckt – denn die Kirche bleibt in Argentinien eine wichtige gesellschaftliche Kraft.
Beim ersten formellen Kontakt zwischen Regierung und Kirche tauschten Karina Milei und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Oscar Ojea aus San Isidro, ihre Standpunkte aus. Während eines interreligiösen Gottesdienstes am 10. Dezember, dem Tag der Amtseinführung des Präsidenten, hatte Karina Milei laut „Pagina 12“ Kontakt mit dem Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Garcia Cuerva, aufgenommen, der Papst Franziskus besonders nahesteht. Und zuvor hatte Garcia bereits ein Treffen mit Vizepräsidentin Victoria Villarruel.
Schwere Wirtschafts- und Finanzkrise
Im Wahlkampf hatten sich Milei und der Papst ein verbales Fernduell geliefert: Nachdem der libertäre Politiker Franziskus vorwarf, sich nicht genügend von den Linksdiktaturen in Lateinamerika zu distanzieren, warnte das Kirchenoberhaupt vor Rattenfängern, die die Menschen um sich scharten und dann ertrinken ließen.
Offizielle Quellen berichten von einem „herzlichen Gespräch“ zwischen Milei und Bischof Ojea „über verschiedene Themen in Zusammenhang mit der Mission der Kirche, sozialem Frieden und der Fürsorge für die Bedürftigsten“. Intern dürfte es auch um einen möglichen Papstbesuch in Argentinien gegangen sein. Eigentlich wollte Franziskus in diesem Jahr erstmals seit seiner Wahl 2013 sein Heimatland besuchen. Es gibt zwar eine offizielle Einladung der Bischofskonferenz; auch Javier Milei lud den Papst nach eigenen Worten in einem kurzen Telefongespräch nach seiner Wahl nach Argentinien ein. Doch einen Termin und eine Zusage aus Rom gibt es bislang nicht.
Argentinische Medien bezeichnen die Beziehungen zwischen der Regierung Milei und der Kirche weiter als angespannt. Angesichts der harten Sparmaßnahmen, mit denen Milei das Land aus der tiefen Wirtschaftskrise führen will, hatte die Kirche aufgerufen, die Armen nicht zu vergessen. „Wir müssen uns darum kümmern, dass das Brot für alle reicht“, sagte Ojea während der Weihnachtsfeiertage. Es gebe keine Möglichkeit, Frieden zu schaffen, wenn dieses Brot nicht „vor allem alle Jungen und Mädchen des Landes“ erreicht, sagte Ojea.
Das hochverschuldete Argentinien wird von einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise erschüttert. Laut Einschätzung der Katholischen Universität von Argentinien (UCA) lebten Ende des dritten Quartals 2023 knapp 45 Prozent der Bevölkerung unter der definierten Armutsgrenze. Zwei Drittel (63 Prozent) der argentinischen Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre sind von Armut betroffen. Die Jahresinflation lag bei rund 160 Prozent.
KNA