Der Politiker Javier Milei, Präsidentschaftskandidat für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Argentinien 2023
„Wir kennen die Heilige Schrift!“

Wie Javier Milei mit den Evangelikalen in Argentinien flirtet

Buenos Aires ‐ Sprechen statt nur Zuhören – Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei zeigt sich aktuell demonstrativ an der Seite von Evangelikalen. Auch weil er dort etwas bekommt, was er bei den Katholiken nicht findet.

Erstellt: 11.07.2025
Aktualisiert: 10.07.2025
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Von Tobias Käufer (KNA)

Rund 15.000 Menschen finden im „Portal des Himmels“ (Portal del Cielo) Platz. Entstanden ist diese Halle in Resistencia in der Provinz Chaco, einer der ärmsten Regionen Argentiniens – und sie wird künftig die neue Heimat der „Iglesia Cristiana Internacional“ (Internationale Christliche Kirche). Gegründet wurde sie 1994 von deren „Apostel“ Jorge Ledesma; heute zählt sie 50.000 Anhänger in mehr als 50 Ländern.

In Argentinien mit dabei ist auch der honduranische TV-Prediger Guillermo Maldonado, der in Miami eine eigene evangelikale Kirche mit dem Namen „King Jesus“ leitet. Sie ist aber eng mit der argentinischen Internationalen Christlichen Kirche verbandelt. Beide „Apostel“ ließen sich bereits mit Präsident Javier Milei fotografieren.

Wie in ganz Lateinamerika wachsen die evangelikalen Kirchen auch in Argentinien. Noch ist der Anteil im Heimatland des verstorbenen Papstes Franziskus nicht so hoch wie im Nachbarland Brasilien; aber sie sind inzwischen als spürbare Größe auch in den Fußgängerzonen und Stadtzentren präsent. Und inzwischen so groß, dass der libertäre Staatspräsident sie als interessante Wählergruppe wahrnimmt.

Und so stattete Javier Milei, der selbst so gerne davon spricht, von den „Kräften des Himmels“ getragen zu werden – ohne diese freilich genau zu definieren –, der Eröffnung des „Portals des Himmels“ einen Besuch ab. Und anders als beim traditionellen Gebet „Te Deum“ in der Hauptstadtkathedrale in Buenos Aires am Unabhängigkeitstag konnte Milei im „Portal des Himmels“ auch selbst sprechen.

Wie groß ist die Nähe wirklich?

Beim katholischen „Te Deum“ muss Milei zuhören – und dabei, wie es in Argentinien üblich ist, auch Kritik einstecken. Der katholische Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Garcia Cuerva, nahm die Regierung Ende Mai in die Pflicht und forderte angesichts von Beleidigungen und verbalen Entgleisungen, es müsse Schluss sein damit, sich „im Schlamm von Diskreditierungen, Hass und Gewalt herumzuwälzen“. Von einem „Terrorismus in den Sozialen Netzwerken“ sprach der Erzbischof.

Auch zu einer aktuellen sozialen Frage bezog Garcia Stellung: „Wie lange müssen die Rentner noch für eine angemessene Rente kämpfen?“, fragte er – und spielte damit auf jene Mittwochsdemonstrationen an, bei denen die Rentner in Buenos Aires für würdige Renten demonstrieren. „Unsere Kinder verdienen, dass wir ihnen ein heiles Land hinterlassen, ein versöhntes Land; ein Land, das aufrecht steht und Perspektiven hat. Wir dürfen sie nicht enttäuschen“, mahnte der Leiter des Hauptstadt-Erzbistums.

Milei hatte Ende 2023 das Präsidentenamt angetreten; er versucht, das in schwere ökonomische Turbulenzen geratene Land mit einem wirtschaftsliberalen Reformkurs zu stabilisieren. Die Inflation ging spürbar zurück, der Haushalt erwirtschafte erstmals wieder Überschüsse. Die Armutsrate sank, und das Land verzeichnet inzwischen ein starkes Wirtschaftswachstum. Milei fühlt sich deshalb von der katholischen Kirche unfair behandelt.

Bei den Evangelikalen bekommt er eine solche Generalabrechnung nicht zu hören. Dort kann er selbst den Ton setzen; und er forderte in seiner Rede, die „Ideen der Freiheit zu verteidigen und die Ideen des Sozialismus zu besiegen“. Die Linke habe in der Vergangenheit den Kulturkampf gewonnen und in ihrer „antikapitalistischen Natur“ die „jüdisch-christlichen Werte und Prinzipien, die den Westen groß gemacht“ hätten, verzerrt. „Soziale Gerechtigkeit ist nichts anderes als Neid mit Rhetorik“, so Milei. Und schließlich rief er aus: „Sie werden uns nicht unterkriegen! Wir kennen die Heilige Schrift!“

Die Rede sorgte anschließend für eine Kontroverse unter evangelikalen Pastoren. Einige wandten sich in einem Offenen Brief an den Präsidenten und kritisieren, sein Ton repräsentiere nicht christliche Werte. Im Saal aber gab es anhaltenden Applaus. Wie weit die neue Nähe zu den evangelikalen Kirchen gehen wird, bleibt noch abzuwarten. Milei selbst wiederum liebäugelte als Privatperson in der Vergangenheit mit einem Übertritt zum Judentum. Noch sei aber nicht der richtige Zeitpunkt dafür gekommen.

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