„Ich plädiere ganz klar für Gewaltenteilung in der Kirche“
Rom ‐ Sie ist eine der wenigen stimmberechtigten Frauen bei der Welt-Bischofssynode: Helena Jeppesen-Spuhler. Die Schweizerin setzt sich für Frauenrechte ein und sucht den Dialog mit Konservativen in der Kirche.
Aktualisiert: 06.10.2023
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Zum ersten Mal in der Geschichte der katholischen Kirche dürfen bei einer Bischofssynode auch Frauen mit abstimmen: Rund jedes siebte der 364 stimmberechtigten Mitglieder ist weiblich. Eines davon ist die Schweizerin Helena Jeppesen-Spuhler vom Hilfswerk Fastenaktion. Ihre Nationalität habe wohl zur Berufung in die Bischofssynode beigetragen, sagt sie im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Den deutschen Reformprozess Synodaler Weg findet sie gut – und sagt das auch im Vatikan.
Frage: Wie kam es, dass Sie Mitglied der Welt-Bischofssynode wurden?
Jeppesen-Spuhler: Ich glaube, das Synodensekretariat wollte eine Frau aus dem deutschsprachigen Raum, die sich pointiert für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche geäußert hat. Und dann haben sie wohl gedacht, eine Schweizerin ist vielleicht etwas neutraler als die sehr starken Deutschen. Und schließlich haben wir auch den Ruf, dass wir als Schweizer Brücken bauen können und meist mehrere Sprachen sprechen, das hat sicher auch eine Rolle gespielt.
Frage: Schauen wir noch einmal kurz auf die Deutschen. Wie sehen Sie deren Reformprozess Synodaler Weg?
Jeppesen-Spuhler: Es wird manchmal gesagt, die Betreiber des deutschen Synodalen Wegs würden die Kirche spalten. Das sehe ich überhaupt nicht so. Das war in Deutschland die Antwort auf die Missbrauchskrise, und das haben die hervorragend gemacht, die Bischöfe zusammen mit den Laien. Das habe ich auch hier in Rom öffentlich gesagt.
Frage: Welche Rolle spielt der Missbrauchsskandal in der Weltsynode?
Jeppesen-Spuhler: Der hat viel mit dem Thema dieser Synode zu tun. Missbrauch kann ja nur dort systematisch vertuscht werden, wo es unkontrollierte Macht gibt. Deswegen plädiere ich ganz klar für Gewaltenteilung. Und das ist genau das Thema, wenn wir über Synodalität in der Kirche sprechen. Da geht es doch auf jeden Fall um Teilung der Macht. Das sind die wichtigen Fragen: Wer entscheidet, und wer beaufsichtigt einen Bischof?
Frage: Wie stellen Sie sich eine ideale Kirche der Zukunft vor?
Jeppesen-Spuhler: Ich plädiere für eine Kirche, die niemanden ausschließt, unabhängig von geschlechtlichen oder sexuellen Orientierungen. Und dafür, dass es in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Regeln geben kann. Es muss nicht alles einheitlich sein, und man kann trotzdem als eine weltweite katholische Kirche zusammenbleiben.
Frage: Welche Themen werden bei der Synode die umstrittensten sein?
Jeppesen-Spuhler: Ich glaube, das Thema Diskriminierung in der Kirche wird sehr umstritten sein. Da geht es einmal um den Ausschluss von Frauen aus bestimmten Positionen. Und es geht um den Umgang mit queeren Menschen. Das wird sehr kontrovers. Die Forderung nach radikaler Inklusion, also dass niemand ausgeschlossen werden soll, das wird sehr schwierig. Aber die Hauptfrage wird sein: Wo wird in der katholischen Kirche in Zukunft was entschieden? Könnte also auf einem Kontinent das Pflichtzölibat gelockert werden, während es auf einem anderen bestehen bleibt? Das könnte auch für das Diakonat der Frau gelten.
Frage: Bei der Synode gibt es manche Reformer, aber es gibt auch Konservative unter den versammelten Männern und Frauen. Wie wollen Sie mit denen umgehen?
Jeppesen-Spuhler: Wir müssen auf jeden Fall den Dialog miteinander suchen, unabhängig von der theologischen Strömung. Man muss miteinander reden, essen gehen, sich kennenlernen, das ist so wichtig. Da gibt es manchmal menschliche Zugänge, die es in einer Synodenaula nicht gibt. Das war auch das Gute an den drei Besinnungstagen in Sacrofano vor der Synode, da konnten wir uns untereinander schon viel besser kennenlernen.
„Missbrauch kann ja nur dort systematisch vertuscht werden, wo es unkontrollierte Macht gibt.“
Frage: Die Ansprachen bei den Besinnungstagen waren überraschend konkret, vor allem die von Pater Timothy Radcliffe. Wie wurde das aufgenommen?
Jeppesen-Spuhler: Das Echo war ganz überwiegend positiv. Das hat viele sehr bewegt. Ich glaube, ihm ist es gelungen, dass sich einige Teilnehmer für neue Gedanken geöffnet haben, nicht zuletzt auch einige Synodale aus Afrika.
Frage: Schauen wir auf das Ende. Was wird nach vier Wochen herauskommen?
Jeppesen-Spuhler: Zuletzt hat es so getönt, dass wir doch mit einem Abschlusspapier rechnen können, das am Ende abgestimmt wird. Und dann müssen wir natürlich auch einen Beschluss fassen, der regelt, wie es zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 weitergeht. Ob es noch einmal kontinentale Versammlungen geben wird und in welcher Form die Ortskirchen auf das Papier reagieren können. Das werden wir am Ende regeln müssen, bevor wir auseinandergehen.
Das finde ich sehr stark vom Synodensekretariat, dass die das nicht einfach vorgeben, sondern uns die Entscheidung überlassen. Und dadurch sind auch Weiterentwicklungen möglich. Wir müssen zum Beispiel beim nächsten Mal mehr junge Leute und auch die Missbrauchsbetroffenen stärker beteiligen.