Zwei Wochen vor der Amazonas-Synode im Vatikan
Amazonas-Synode ‐ Es war so nicht zu erwarten: Aber wenn Papst und Dutzende Bischöfe aus aller Welt im Oktober im Vatikan über den Amazonas-Regenwald und die dortigen Indigenen sprechen, gerät dies für viele zu einem Politikum.
Aktualisiert: 20.09.2019
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Es war so nicht zu erwarten: Aber wenn Papst und Dutzende Bischöfe aus aller Welt im Oktober im Vatikan über den Amazonas-Regenwald und die dortigen Indigenen sprechen, gerät dies für viele zu einem Politikum.
Zuletzt waren die weltpolitische und die innerkirchliche Kulisse der Sondersynode für Amazonien noch bedeutender geworden. Brennende Regenwälder, diplomatische Verwicklungen zwischen Brasilien und der EU bis hin zur Frage, ob es in der römisch-katholischen Kirche bald verheiratete Priester oder vermeintlich heidnische Einflüsse in der Liturgie gibt. All dies sorgt vor der Sondersynode hier und da für Streit – und deshalb für Aufmerksamkeit.
Dass diese so breit gestreut ist, liegt auch am dreiteiligen Themenspektrum der Synode: Ökologie Amazoniens, Kultur und Rechte der Indigenen sowie kirchliche Seelsorge. Viele Fragen, Vorschläge und Ideen lassen sich unter dem Titel des Treffens versammeln: „Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie“.
In erster Linie gilt das Bischofstreffen dem rund 7,5 Millionen Quadratkilometer großen Amazonas-Gebiet, das in neun Staaten reicht. Dort leben rund drei Millionen Indigene, die etwa 390 verschiedenen Völkern und Nationalitäten angehören und in sehr weit verstreuten Siedlungen leben. Hinzu kommen eingewanderte Landarbeiter und Projekte internationaler Konzerne.
Franziskus selbst misst dem dreiwöchigen Treffen große Bedeutung und Dringlichkeit zu. Das Amazonas-Gebiet sei eine entscheidende Region, nicht nur weil von dort ein Großteil des weltweiten Sauerstoffs stamme. Eine Entwaldung Amazoniens bedeute, „die Menschheit zu töten“, so der Papst Anfang August in einem Zeitungsinterview. Wegen der anhaltenden Waldbrände in mehreren Amazonas-Staaten kam es mittlerweile international zu Spannungen.
Bisher herrschten in Amazonien wirtschaftliche und private Interessen vor, die einer „Neuauflage des Kolonialismus“ gleichkämen, schrieb der brasilianische Kardinal Claudio Hummes in der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“. Wenn sich daran nichts ändere, „wird die ganze Region zerstört werden, mit all den verheerenden Folgen, die schon absehbar sind“.
Der Papst warnte davor, die Synode als Ökologie-Konferenz misszuverstehen. Es gehe vor allem darum, Menschen die christliche Botschaft besser zu vermitteln. Dafür wurden über ein Jahr lang auf 260 Veranstaltungen vor Ort in Südamerika Themen und Anliegen sondiert. Dem peruanischen Kardinal Pedro Barreto Jimeno zufolge beteiligten sich insgesamt 87.000 Menschen. Die breitere Vorbereitung folgt der 2018 von Franziskus eingeführten Synodenreform.
Barreto (75) ist einer der drei stellvertretenden Präsidenten, die das Treffen im Auftrag des Papstes leiten sollen. Ihm hat Franziskus den Venezolaner Kardinal Baltazar Enrique Porras (74) und den brasilianischen Kurienkardinal Joao Braz de Aviz (72) zur Seite gestellt. Weitere Teilnehmer sind bislang offiziell nicht bekannt.
Fabio Fabene, Untersekretär der Bischofssynode, wies Mitte Juni bei der Vorstellung des rund 140 Seiten starken Arbeitsdokumentes die Befürchtungen einiger Konservativer zurück, die Synode könne der gesamten katholischen Kirche ein „amazonisches Aussehen“ verpassen. Gleichwohl werden ihre Beschlüsse auch andernorts in der Weltkirche je eigene Überlegungen auslösen.
Neben der Möglichkeit, in entlegenen Gegenden eventuell ältere und angesehene Familienväter zur Priesterweihe zuzulassen, erwähnt das Arbeitsdokument neue Räume für kirchliche Ämter, auch für Frauen. Dabei geht es laut Fabene nicht um den Diakonat. Wohl aber darum, die Kultur der Indigenen mehr zu schätzen und die christliche Botschaft besser in die jeweilige Kultur zu übersetzen.
In der Zwischenzeit bringen sich Kritiker und Anhänger der Amazonas-Synode in Stellung oder werden von Interessengruppen eingespannt. So hält der frühere Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller die hinter dem Vorbereitungsdokument stehende „Theologia indigena“ und die „Ökotheologie“ zwar für eine „Kopfgeburt von Sozialromantikern“. Eine bessere Inkulturation des Christentums in Amazonien unter Beachtung der traditionellen katholischen Lehre sieht er gleichwohl als geboten an.
Raymond Burke, prominentester Franziskus-Kritiker im Kardinalspurpur, und einige andere riefen zu einem „Kreuzzug des Gebets und des Fastens“ auf, damit „Irrtum und Häresie die bevorstehende Amazonassynode nicht beeinflussen mögen“. Umgekehrt erwarten etwa die beiden kirchlichen Hilfswerke Misereor und Adveniat von der Synode, sie solle zeigen, „dass Wandel in Politik, Wirtschaft, Technik und nicht zuletzt auch in Kirche möglich ist“.
Der Jesuit Bernd Hagenkord warnte nach einer Amazonien-Reise: „Wir können in dieser Diskussion nicht unsere europäischen Fragen wie Sexualmoral, Macht und Autorität diskutieren.“ In Amazonien würde dies bereits als „neuer Kolonialismus“ aufgefasst. Im Oktober wird sich daher auch zeigen, ob und wie die katholische Kirche im Norden fähig ist, den durchaus vielschichtigen Stimmen aus dem Süden zuzuhören und deren eigene Kompetenz anzuerkennen.