Finanzielle Herausforderungen und Datenschutz
Aber Digitalisierung kostet eben auch: „Ein bisschen ungerecht ist es schon, dass kleine und mittelständische Unternehmen vom Wirtschaftsministerium Unterstützung und Förderung für digitale Maßnahmen erhalten“, so Spielmans. „Die NGOs müssen selbst sehen, wie sie technisch hinterherkommen. Und das vor dem Hintergrund, dass Extraausgaben für Verwaltung und Co. bei ihnen immer sehr kritisch beäugt werden.“ Schließlich sehen die Spender ihr Geld ja lieber bei den hilfsbedürftigen Menschen in Krisenregionen als in einem innovativen Online-Team in Deutschland.
Hinzu kommen bei Nichtregierungsorganisationen auch ideelle Bedenken, was die uneingeschränkte Nutzung von Daten in der Entwicklungszusammenarbeit angeht – und zwar nicht erst seit Eintreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018. Caritas international etwa beobachtet kritisch, wie das World Food Programm im Jemen Hilfen für Begünstigte an die Bedingung knüpft, dass sie sich biometrisch erfassen lassen. „Das hat schon seine Gründe, weil auch Vorwürfe da waren, dass Hilfe abgezweigt wurde und von Konfliktakteuren instrumentalisiert wurde“, erklärt Ole Hengelbrock, Referent für Grundsatzfragen bei Caritas international. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hier die größten humanitären Geldgeber sind: „Was passiert mit diesen Daten?“ Hilfe an Bedingungen zu knüpfen, sei für sich genommen schon problematisch, „aber Menschen auch biometrisch zu erfassen und in digitalen Listen aufzuführen, ist noch mal eine neue Qualität, sie bloßzustellen und verletzbar zu machen“, so Hengelbrock.
Nach ihm sollte es keine pauschale Billigung einer Digitalisierungsagenda in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe geben. Wichtig sei es für Caritas international, solche neuen Maßnahmen und Methoden auch zu Ende zu denken. „Im Zentrum steht immer noch der Mensch. Da geht es nicht darum, wie wir unsere Arbeit und Abläufe mit digitalen Mitteln vereinfachen können, sondern es geht eben auch um die Rechte von Menschen. Und das darf auf keinen Fall zu kurz kommen“, so Hengelbrock.
Bei all der Vorsicht nutzt Caritas international ebenfalls neue digitale Instrumente, vor allem „Cash Programme“, also Bargeldhilfen oder E-Gutscheine, damit die Menschen vor Ort selbst entscheiden können, was sie kaufen. Unterstützt wird das Programm von einer Online-Plattform, auf der die entsprechenden Daten gesammelt und analysiert werden. So kann die Situation der lokalen Märkte eingeschätzt werden. Darüber hinaus können die Nutzer direkt online ihr Feedback zu dem Programm abgeben, sodass kein Evaluierungsteam mehr mit Fragebögen anreisen muss. „Caritas international reflektiert diese neuen Methoden auch hausintern, veranstaltet Schulungen, lädt Experten ein und versucht, mit Augenmaß und kritischen Diskussionen die Vor- und Nachteile zu prüfen“, erklärt Hengelbrock.