Menschen sitzen am Meer und schauen auf Schiffe
Caritas sieht aber keine Trendwende – Ströme verlagern sich

Illegale Migration auf den Kanaren stark zurückgegangen

Madrid/Las Palmas  ‐ Auch wenn die Zahlen zurückgehen, sagen Experten: Solange Kriege, Klimawandel und Hunger nicht aufhören, suchen Migranten weiter nach Wegen in eine bessere Zukunft. Die kanarischen Bischöfe bitten den Papst um Hilfe.

Erstellt: 07.08.2025
Aktualisiert: 05.08.2025
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Von Manuel Meyer (KNA)

Strengere Kontrollen der EU-Außengrenzen vor allem im östlichen Mittelmeer haben auf den Kanarischen Inseln in den vergangenen Jahren stets zu besorgniserregenden Rekordzahlen geführt. 2024 erreichten über die gefährliche Atlantikroute mehr als 46.000 afrikanische Bootsmigranten illegal die spanischen Ferieninseln vor der Westküste Afrikas; rund 7.000 mehr als im Vorjahr.

Doch vor wenigen Tagen veröffentlichte das Innenministerium in Madrid überraschende Zahlen. In den ersten sieben Monaten des Jahres ist die Zahl der illegalen Ankünfte auf den Kanaren regelrecht eingebrochen. Bis Ende Juli erreichten lediglich 11.575 Migranten die Inselgruppe – 46 Prozent weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres.

Als Grund für den starken Rückgang werden verschärfte Grenzkontrollen in Mauretanien genannt. Für Spanien und die EU spielt das Land eine zentrale Rolle bei der Kontrolle illegaler Migration auf der sogenannten Atlantikroute. Von dort starten derzeit relativ viele Migranten. So besuchte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez die mauretanischen Hauptstadt Nouakchott in den vergangenen eineinhalb Jahren gleich drei Mal, zuletzt vor zwei Wochen - um eine „geordnete, sichere und reguläre“ Einwanderung zu fördern, wie es hieß.

Der Sozialist Sánchez betonte dabei erneut, dass die Aufnahme von Migranten nicht nur eine „humanitäre Verpflichtung“ sei. Migration sei auch für Spanien und Europa notwendig, um den Wohlfahrtsstaat aufrechterhalten zu können. Sie müsse aber „geregelt“ sein.

Deshalb boten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Sánchez Mauretanien 2024 Investitionen von rund 500 Millionen Euro an. Im Gegenzug erwarteten Brüssel und Madrid eine engere Zusammenarbeit bei der Zerschlagung von Menschenhändlerorganisationen und strengere Kontrollen der Seewege. Anscheinend mit Erfolg.

Doch für Migrationsexperten ist das weder eine langfristige Lösung, noch bedeuten die aktuellen Zahlen eine Trendwende oder gar eine Ende der humanitären Notlage auf den Kanaren. „Betrachtet man die Migrationsgeschichte der Kanarischen Inseln, so ist seit der Ankunft des ersten Flüchtlingsbootes vor 30 Jahren ein konstanter, aber zyklischer Zustrom von Migranten zu beobachten, der je nach internationalen Abkommen und Grenzschließungen mal stärker, mal schwächer ausfällt“, sagt Gonzalo Marrero, Leiter der Caritas auf den Kanaren, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

„Die Menschen suchen sich alternative Routen, wenn ein Weg versperrt wird“, gibt auch Lidia Hernández, Koordinatorin der spanischen Kommission für Flüchtlingshilfe (CEAR) zu bedenken: „Die illegale Migration nimmt nicht ab, sie verlagert sich nur.“

Routen verändern sich

Tatsächlich scheinen Mauretaniens aktivere Grenzkontrollen nun vor allem die Balearen-Route von Algerien aus wiederzubeleben. Jüngste Daten des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR zeigen, dass zwischen Januar und Juli 3.482 Migranten auf 182 Booten aus Algerien vor allem auf den Balearen-Inseln Mallorca und Ibiza landeten; ein Anstieg von 124 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Doch selbst diese Verlagerung der aktuellen Routen führe nicht dazu, dass der Migrationsdruck auf den Kanarischen Inseln sonderlich abnehme, stellt Caritas-Leiter Marrero klar. In der Nacht zu Dienstag musste die Küstenwache vor Gran Canaria ein Migrantenboot mit 176 Menschen retten. Der Rückgang der Ankünfte sei zwar real, so Marrero. Doch die bereits Angekommenen blieben in prekärer Lage. Vor allem sorgt er sich um rund 6.000 minderjährige, unbegleitete Migranten, die sich derzeit in staatlichen Auffangzentren auf den Kanaren befinden.

Hinzu kämen immer mehr illegale Ankünfte mit dem Flugzeug, vor allem aus Lateinamerika. Derzeit betreue die Caritas in den Pfarreien vor allem Menschen aus Kolumbien, Kuba, Venezuela und Peru, die wegen der Schließung der US-Grenzen und der historischen Verbindungen der Kanaren als Ziel ihrer Auswanderung die spanischen Atlantikinseln aussuchten.

So kommt es, dass die beiden kanarischen Bischöfe José Mazuelos und Eloy Santiago Papst Leo XIV. demnächst einladen wollen, damit er das Drama auf den Inseln persönlich kennenlernen und den Betroffenen Mut und Hoffnung spenden kann. Sie hatten bereits den jüngst gestorbenen Papst Franziskus eingeladen - der auch gerne gekommen wäre, hätte es sein Gesundheitszustand noch erlaubt.

Auch wenn die Zahl der Bootsmigranten derzeit rückläufig ist, sind sich doch alle Experten einig: Solange die Gründe der illegalen Migration wie bewaffnete Konflikte, Klimawandel oder Hungersnöte in den Herkunftsländern nicht verschwinden, werden die Menschen weiter nach Wegen in Länder suchen, die ihnen eine bessere und sichere Zukunft versprechen.

Auch der Verantwortliche des Roten Kreuzes für die Betreuung von Migranten auf den Kanaren, José Antonio Rodríguez Verona, betont, dass die humanitäre Notlage dort noch längst nicht beendet sei. Im Gegenteil: Mit Blick auf die Herbststürme erwartet er für September noch einmal eine Zunahme der Ankünfte aus Afrika.

Der Seeweg von Westafrika zu den Kanaren zählt zu den gefährlichsten Migrationsrouten der Welt. Nach Angaben der in Afrika gut vernetzten spanischen Hilfsorganisation Caminando Fronteras starben 2024 mindestens 9.757 Personen beim Versuch, die Inseln zu erreichen.

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