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So positionieren sich die Parteien zur Entwicklungszusammenarbeit
Berlin ‐ Es brennt – an unzähligen Orten weltweit. Doch die meisten Parteien wollen trotz Armut, Krisen und globalen Katastrophen künftig nicht mehr, sondern weniger Geld in Entwicklungszusammenarbeit stecken. Was schlagen sie vor? Ein Überblick.
Aktualisiert: 13.02.2025
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Entwicklungspolitik gilt vielen Parteien derzeit als „unsexy“. Schaut man vor der anstehenden Bundestagswahl in die Wahlprogramme, findet sich dort wenig bis nichts zu entwicklungspolitischen Themen. Das Wort „China“ etwa liefert in allen Wahlprogrammen und Entwürfen deutlich mehr Treffer. Selbst bei der SPD, die mit Svenja Schulze immerhin die derzeitige Entwicklungsministerin stellt, kommt das Wort „Entwicklungspolitik“ nur zwei Mal vor, ist aber gepaart mit dem Bekenntnis zu einem „starken und eigenständigen Entwicklungsministerium“. Die kirchlichen Partner werden eigens erwähnt.
Auf den letzten Metern hatte Ministerin Schulze noch ein Strategiepapier veröffentlicht. Darin bekräftigt sie die Bedeutung von Entwicklungspolitik, fordert aber zugleich eine Neuausrichtung und eine Umbenennung des Ministeriums – Weg von der Idee der Hilfe, hin zu mehr internationaler Zusammenarbeit – aber bloß kein Rückzug ins Schneckenhaus.
Ob dies mit der Union als möglichem Koalitionspartner denkbar wäre, scheint fraglich. Im CDU/CSU-Wahlprogramm klingt heraus, dass vor allem die Erwartungen an Partnerländer hochgeschraubt werden sollen. Es ist von einem Stopp illegaler Migration, der Bekämpfung von Terrorismus und mehr privaten Investitionen die Rede. Frauenförderung ja, aber ohne Feminismus. Und die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sollen zusammengeführt werden – vermutlich in nur einem Ministerium.
Sicherheit, Außenpolitik, Entwicklung?
Die FDP spricht es aus: „Das Entwicklungsministerium sollte mit dem Auswärtigen Amt fusioniert werden“. Bei einer – derzeit sehr unwahrscheinlichen – schwarz-gelben Koalition dürfte das ausgemachte Sache sein. Beide Parteien setzen auf Reformen in der Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Die FDP will die Mittel „strategisch entlang der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands und der EU“ priorisieren.
Die Grünen wollen die Sicherheit eher „im Einklang mit einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik sowie einer starken internationalen Klimapolitik“ sehen. Für die Partei soll vor allem möglichst vorausschauend agiert werden. Die SPD beruft sich ebenfalls auf die feministische Außenpolitik. Beide, ebenso wie die Linke, bekennen sich zur OECD-weit vorgeschriebenen Quote, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in Entwicklungszusammenarbeit zu investieren.
Im gesamten Wahlprogramm des BSW finden sich weder das Wort „Entwicklungspolitik“ noch „humanitäre Hilfe“. Stattdessen setzt das Bündnis den Fokus der Außenpolitik auf „Entspannung und gemeinsame Sicherheit“, denn man sehe sich als die einzige konsequente Friedenspartei. Das soll auch für die EU gelten und vor allem durch ein Ende jedweder Waffenlieferung vorangetrieben werden.
Die AfD widmet dem Thema Entwicklungspolitik beinahe den größten Raum im Wahlprogramm. Dabei geht es um eine gänzliche Umgestaltung, die aber letztlich darauf hinauslaufen soll, die Mittel „deutlich zu reduzieren“. Auch will die Partei zahlreiche Projekte beenden, darunter alle Hilfen für China, Indien oder Pakistan. Ebenso dürften keine „fragwürdigen gender- und WOKE-ideologiebasierten Entwicklungsprojekte“ weiterhin Gelder erhalten.
Einzigartiger Mix
Entwicklungsorganisationen wie Misereor bereitet die geringe Aufmerksamkeit für die Relevanz von Entwicklungszusammenarbeit Sorgen. Auch wenn das Thema nie weit oben auf der Agenda stand und eine Abschaffung des Ministeriums immer wieder diskutiert wurde, scheint das Politikfeld in den vergangenen Jahren weiter nach hinten gerückt zu sein. Und der Fokus hat sich sowohl in der humanitären Hilfe als auch in der Entwicklungszusammenarbeit verändert. Es geht stärker um nationale Interessen, um Sicherheit, Migration und Terrorabwehr.
Dabei ist Deutschlands Mix aus humanitärer, staatlicher und nicht-staatlicher Förderung über verschiedene Instrumente der internationalen Kooperation aus Sicht von Misereor weltweit einzigartig. Hier gebe es auch klare wirtschaftliche Interessen, etwa die politische Stabilität von Exportpartnern oder die Prävention von Krisen und entsprechende Kostenersparnis später. Laut Weltbank spare jeder Euro Krisenprävention bis zu sechzehn Euro an Mittel der Krisenbearbeitung.
„Es braucht eine starke deutsche Entwicklungszusammenarbeit auch in Zukunft und ein starkes Ministerium, das Entwicklungspolitik als eigenständiges Politikfeld in Ergänzung von Außen- und Sicherheitspolitik prägt“, sagt der Leiter des Misereor-Büros in Berlin, Jonas Wipfler. Und führt weiter aus: „Deutschland ist rechtlich gebunden, international für Kooperation, Frieden und Klimaschutz einzustehen. Mit einem möglichen Ausfall der Vereinigten Staaten von Amerika mehr noch als zuvor.“
Denn diese Entwicklung schwingt in diesen Wochen immer mit im Hintergrund: Durch den Rückzug der US-Regierung unter Donald Trump aus zahlreichen Hilfsprojekten und -programmen weltweit entstehen zum Teil riesige Lücken. Und viele Menschen in den armen Ländern erwarten, dass andere Staaten in die Bresche springen.
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