Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung
Studie zu Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität

Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung: Kernbotschaften

Bonn/München ‐ Die Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik hat eine Studie mit ethischen Perspektiven für die globale Landnutzung vorgestellt. Die Kernbotschaften in Kürze.

Erstellt: 01.10.2024
Aktualisiert: 01.10.2024
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Die Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ finden Sie hier (PDF) zum Download. Ihr ist eine 5-seitige Zusammenfassung „Kernbotschaften der Studie“ (ab S. 7) vorangestellt.

Worum geht es in aller Kürze? Ein Überblick zu den Kernbotschaften der Studie.

  • Die Studie des Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik stellt kein weiteres agrarpolitisches Fachgutachten dar, sondern eine ethische Reflexion über eine Vielzahl von bereits vorliegenden Problemanalysen und Reformvorschlägen. Sie fragt, welchen Beitrag die Ethik im Allgemeinen und die katholische Kirche im Besonderen dazu leisten können, die zunehmende Polarisierung und gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen verschiedenen Interessensgruppen zu mindern und gemeinsam eine zukunftsfähigere Landnutzung zu gestalten. Sie fordert von allen Beteiligten kohärente Strategien und Kompromissbereitschaft – auch auf die Gefahr hin, dass einzelne, aus dem Kontext gerissene Aussagen der Studie in diesen „Kulturkampf“ verwickelt werden, den es eigentlich zu überwinden gilt.

  • Die Sachverständigengruppe knüpft in ihrer ethischen Reflexion an Grundsätze der christlichen Sozialethik und der Allgemeinen Menschenrechte an, die wiederum in vielen Kulturen und Rechtstraditionen anschlussfähig sind. So erinnert sie an die (in der europäischen Geistesgeschichte immer wieder betonte) Bedeutung des „Gemeinwohls“ und die „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“. Im engen Zusammenhang damit steht das Konzept der „Gemeingüter“, die zum Wohl Aller genutzt, aber nicht zerstört werden dürfen. Wasser wird schon lange als Gemeingut betrachtet, seit kürzerem auch das Klima – die Sachverständigengruppe argumentiert, dass Boden in juristischer Sicht Privateigentum ist, sozialethisch aber auch als „Gemeingut“ zu verstehen ist. So können mit dem gleichen „Stück Boden“ gleichzeitig mehrere verschiedene Nutzungsrechte verbunden sein (z.B. Wasser- und Jagdrechte, für oberflächliche agrarische Nutzung und tieferliegenden Bergbau). Ein tieferes Verständnis dieser Gemeinwohldimension von Böden ist wichtig, da damit häufig staatliche Regulierungen, aber auch Subventionen begründet werden – doch diese Begründungen müssen ethisch und praktisch für alle Betroffenen gleichermaßen transparent und nachvollziehbar sein.

  • Die Sachverständigengruppe empfiehlt das Leitbild der „Gemeinwohleffizienz“, um ein verengtes Verständnis von Effizienz zu überwinden und um Förderpolitik zukunftsfähig zu gestalten. So sollten Flächeneffizienz („Ertrag pro Hektar“) und betriebswirtschaftliche Effizienz („Gewinn pro eingesetzte Ressource“) weiterhin wichtige Orientierungsgrößen für jeden Landwirt darstellen – sie müssen aber (insbesondere aus staatlicher Sicht) um die Gemeinwohl-Dimension erweitert werden: Staatliche Fördermittel müssen also mehr als bisher darauf ausgerichtet sein, dass es sich für den einzelnen Landwirt finanziell „lohnt“, gemeinwohlrelevante Dienste zu erbringen: Der Schutz des Trinkwassers, die Verbesserung der natürlichen Speicherkapazitäten des Bodens (für Wasser und Kohlendioxid, vor allem durch Humusbildung), der Erhalt der Artenvielfalt – all diese „Dienste“ der Landwirtschaft an der Gesellschaft werden bislang viel zu wenig berücksichtigt, und das ist gesamtgesellschaftlich gesehen „nicht effizient“.

  • Die Studie fordert eine „gemeinwohlorientierte Anerkennungskultur“. Dies beinhaltet unter anderem, dass die die hohen gesamtgesellschaftlichen Leistungen von Landwirten auch finanziell besser honoriert werden müssen. Staatliche Zuschüsse für den Erhalt von Gemeingütern sind wichtig und die Landwirtschaft verdient eine bessere gesamtgesellschaftliche Unterstützung – doch dafür ist es notwendig, nicht-gemeinwohldienlicher Subventionen zu streichen, um langfristig ein effizienteres und transparenteres Fördersystem zu etablieren. Zur Anerkennungskultur gehört auch Gesprächskultur: die Sachverständigengruppe versteht ihre Reflexion über die „Ethischen Perspektiven für die globale Landnutzung“ als Debattenbeitrag und Teil eines fortdauernden Diskussionsprozesses. Auch Ihre Meinung und Ihr Beitrag sind herzlich willkommen!

Dieser Text von Dr. Stefan Einsiedel erschien zuerst auf DIGILOG, der Digitalen Dialogplattform zur sozial-ökologischen Transformation.

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