Nachrichten aus der Weltkirche
Vorwurf der Kollaboration mit Russland

Kyjiwer Parlament beschließt Gesetz gegen Ukrainische Orthodoxe Kirche

Kyjiw ‐ Die ukrainische Regierung wirft der traditionsreichen Ukrainischen Orthodoxen Kirche vor, ein Einflussinstrument des Kreml zu sein. Nun hat das Parlament ein Gesetz gegen die Kirche gebilligt.

Erstellt: 20.08.2024
Aktualisiert: 26.08.2024
Lesedauer: 

Das ukrainische Parlament hat am Dienstag ein Gesetz zum Verbot der früher mit dem Moskauer Patriarchat verbundenen Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) angenommen. Die Regierung wirft der Kirche unter dem Kyjiwer Metropoliten Onufrij vor, ihre Bindung an die russisch-orthodoxe Kirche nicht aufgelöst zu haben und ein Einflussinstrument Russlands zu sein. Die Kirche hatte sich im Mai 2022 vom Moskauer Patriarchat losgesagt und weist die Anschuldigungen zurück. Mehrere Kleriker wurden jedoch zuletzt wegen des Vorwurfs der Kollaboration verurteilt.

265 Abgeordnete billigten den Gesetzentwurf, 226 Stimmen wären notwendig gewesen. Das neue Gesetz enthält Bestimmungen zum Verbot religiöser Organisationen, die mit der russisch-orthodoxen Kirche verbunden sein sollen. Konkrete Verbote müssen jedoch durch eine Gerichtsentscheidung durchgesetzt werden. Um die 10.000 Kirchengemeinden und die meisten Klöster des Landes gehören derzeit zur UOK.

Parlamentarier wie die Abgeordnete Iryna Gerashchenko begrüßten die „historische Entscheidung“. Auf der Online-Plattform X schrieb sie: „Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das ein Tochterunternehmen eines Aggressorstaats in der Ukraine verbietet.“

Rat der Religionsgemeinschaften unterstützt Verbot

Auch Vertreter des Gesamtukrainischen Rats der Kirchen und Religionsgemeinschaften hatten zuletzt ein Verbot der bis Mai 2022 mit dem Moskauer Patriarchat verbundenen UOK befürwortet. Die UOK war bislang selbst Mitglied des Gremiums, wurde jedoch zur vergangenen Sitzung nicht eingeladen, wie die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) erfahren hat. Die Erklärung gilt damit nicht als Äußerung des gesamten Gremiums.

In einer am Wochenende verbreiteten Erklärung hieß es, dass man kategorisch die Aktivitäten der hier als Russisch Orthodoxen Kirche (ROK) bezeichneten UOK verurteile. Sie habe sich zum „Komplizen der blutigen Verbrechen der russischen Invasoren gegen die Menschlichkeit“ gemacht, heilige Massenvernichtungswaffen und befürworte die Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit, Kultur und Identität.

Die Religionsvertreter bekräftigten zugleich, dass trotz des Krieges „die religiösen Rechte und Freiheiten in der Ukraine geachtet werden“. Die größte Bedrohung für die Religionsfreiheit in der Ukraine sei die russische Aggression, in deren Folge die Besatzer Dutzende Geistliche töteten und Hunderte von Kirchen und Gebetshäusern zerstörten, so der Rat.

Ostkirchen-Expertin: Entscheidung verhindert Versöhnung

Die Ostkirchen-Expertin Regina Elsner dagegen zeigte sich zutiefst beunruhigt über die Entscheidung des Parlaments. „Dieses Gesetz öffnet die Tür für schwere Verletzungen der Religionsfreiheit und eine neue Spaltung in der Ukraine“, sagte sie am Dienstag. Es sei traurig, dass so Hass und Gewalt gegen Gläubige der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) „eine öffentliche Legitimation“ fänden.

Das am Dienstag mit großer Mehrheit verabschiedete Gesetz stigmatisiere eine ganze Religionsgemeinschaft als „russische Kirche“, so die Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster. Im Gesetzestext berufe man sich auf „sehr manipulative und nicht definierte Begriffe wie die „Ideologie der Russischen Welt“ oder „Zugehörigkeit“. Als alleiniges Kriterium für ein Verbot kann demnach laut Elsner reichen, dass die UOK in den Statuten der russisch-orthodoxen Kirche genannt sei, obwohl die ukrainische Kirche darauf keinen Einfluss habe. Die nachgewiesene Beteiligung an Kollaboration von einzelnen Bischöfen könne zur Auflösung eines ganzen Bistums führen.

Ein schwerwiegendes Problem sieht die katholische Theologin auch darin, dass Gläubigen der UOK die Mitarbeit in politischen und zivilgesellschaftlichen Gremien verboten oder stark eingeschränkt werde. Auch die internationalen ökumenischen Beziehungen würden so limitiert. Kiew wolle offensichtlich die Vereinigung der UOK mit der im Dezember 2018 gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) erzwingen. „Es kann sein, dass sich Gemeinden oder auch Bischöfe darauf einlassen, einfach um das Verbot zu umgehen“, so Elsner. Aber das sei keine Art der Einigung, mit der man ein friedliches Auskommen miteinander beginne. Vielmehr verhindere es eher die dauerhafte Versöhnung der Orthodoxie im Land. Ein Teil der UOK werde sich gar nicht darauf einlassen und „wohl in den Untergrund gehen, sich also privat treffen, eventuell radikalisieren“.

UOK-Anwalt: Dunkles Kapitel für Menschenrechte

Der Rechtsanwalt der UOK, Robert Amsterdam, sieht mit dem Gesetz „ein dunkles neues Kapitel für die Menschenrechte in der Ukraine anbrechen“. Man habe die westlichen Verbündeten vor diesem ungeheuerlichen Gesetz gewarnt, das darauf abziele, eine kollektive Bestrafung gegen eine ganze religiöse Konfession zu verhängen. Der Schritt verstoße gegen jedes bekannte Völkerrecht. Das Parlament habe sich „nationalistischem Druck“ gebeugt, so Amsterdam.

In der Ukraine steht die UOK in Konkurrenz zur Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), die von der Regierung unterstützt wird. Sie wurde Ende 2018 als Zusammenschluss des nach der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine entstandenen Kiewer Patriarchats und einer kleineren Kirche gegründet. Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, hatte der OKU Anfang 2019 ihre Unabhängigkeit verliehen. Dies wurde bislang aber nur von einem Teil der orthodoxen Kirchen anerkannt und führte unmittelbar auch zum Bruch zwischen dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und dem Moskauer Patriarchat.

Selenskyj unterzeichnet Gesetz

Inzwischen hat Präsident Wolodymyr Selenskyj das umstrettene Gesetz unterzeichnet. Das gab er während der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag bekannt. Damit würde „die ukrainische Orthodoxie vor der Abhängigkeit von Moskau geschützt“, begründete er das Verbot.

KNA

21.08.2024: Stellungnahme Elsner hinzugefügt /dr

26.08.2024: Unterzeichnung durch Selenskyj /dr

Mehr zum Thema