International criminal court ICC in the hague -Den Haag
Nahostkonflikt

Kritik und Lob nach Haft-Anträgen gegen Hamas und Netanjahu

Berlin/Den Haag ‐ Vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs ermittelt der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs nicht nur gegen die Terrorgruppe Hamas – sondern auch gegen Israels Regierungschef. Neben viel Kritik gibt es auch Zustimmung.

Erstellt: 22.05.2024
Aktualisiert: 22.05.2024
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Von Gottfried Bohl und Christoph Schmidt (KNA)

Die Kritik am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) nimmt zu, seit Chefankläger Karim Khan Haftbefehle sowohl gegen die Spitzen der Hamas als auch gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Galant beantragt hat.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete den Vorgang als nicht akzeptabel. „Mit der zeitgleichen Beantragung von Haftbefehlen gegen Hamas-Führer wird der unerträgliche Eindruck der Gleichsetzung hergestellt zwischen demokratisch gewählten Amtsinhabern und Anführern einer Terrororganisation, die unschuldige Menschen in ein totalitäres System zwingt.“ Darüber hinaus werde so eine internationale politische Kampagne zur Isolierung Israels befeuert. Dessen Verbündete, „vor allem die Bundesregierung“, müssten in dieser Situation unverrückbar an der Seite Israels als der einzigen Demokratie im Nahen Osten stehen.

Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), forderte am Dienstag die Bundesregierung auf, die Intervention eindeutig zurückzuweisen: „Jeder Versuch, Parallelen zwischen den Terroristen der Hamas und der demokratisch gewählten Regierung Israels zu ziehen, muss in aller Klarheit verurteilt werden.“ Die „laue Erklärung“ aus dem Auswärtigen Amt sei unzureichend und werde der außenpolitischen Bedeutung des Ereignisses nicht gerecht.

Ein Sprecher des Außenministeriums hatte am Montagabend erklärt, Deutschland respektiere die Unabhängigkeit des IStGH und seine Verfahrensabläufe. Doch sei durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und der israelischen Amtsträger auf der anderen Seite „der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden“.

Die Hamas-Führer hätten ein barbarisches Massaker zu verantworten, hielten weiter Geiseln unter unsäglichen Bedingungen gefangen und missbrauchten die Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde. Die israelische Regierung dagegen habe „das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen und dagegen zu verteidigen. Klar ist, dass dabei das humanitäre Völkerrecht mit all seinen Verpflichtungen gilt.“

Zustimmung von Amnesty International

Am Montag hatten die Hamas und Israels Regierung empört auf den Vorstoß aus Den Haag reagiert. Israels Außenminister Israel Katz nannte es skandalös, demokratisch gewählte Politiker so auf eine Stufe zu stellen mit „Mördern und Vergewaltigern der Hamas“. Katz kündigte Gegenmaßnahmen auf internationaler Ebene an. Israel erkennt die Autorität des IStGH nicht an.

Zustimmung kam hingegen von Amnesty International. Wer mutmaßlich Verbrechen nach internationalem Recht zu verantworten habe, müsse vor Gericht gestellt werden, sagte der Vize-Generalsekretär von AI Deutschland, Christian Mihr. Der Kreislauf der Straflosigkeit müsse durchbrochen werden.

Der IStGH wirft Ministerpräsident Netanjahu und Verteidigungsminister Galant vor, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. Den Angaben zufolge geht es unter anderem um gezieltes Aushungern der Palästinenser im Gazastreifen sowie Angriffe auf die dortige Zivilbevölkerung.

Aufseiten der Terrorgruppe Hamas wurden Haftbefehle beantragt gegen die Anführer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyeh. Sie werden wegen Ausrottung, Geiselnahme, Vergewaltigung und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zusammenhang mit den Terrorangriffen vom 7. Oktober gesucht.

Die Richter des Strafgerichtshofs müssen nun entscheiden, ob die Haftbefehle tatsächlich erlassen werden. Sollten sie dem Antrag des Anklägers zustimmen, gäbe es zwar keinerlei Möglichkeit direkter Vollstreckung. Die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wäre aber deutlich eingeschränkt. Denn die mehr als 120 Vertragsstaaten des Gerichts sind – formal betrachtet – verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen und auszuliefern.

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