"Friedensgipfel des Volkes" im Internationalen Kongresszentrum (ICC) am 9. Mai 2025 in Jerusalem (Israel).
„Wir sind nicht allein“

Israels Friedenslager gibt sich mit Friedensgipfel laute Stimme

Jerusalem  ‐ Frieden ist ein schwieriges Wort in diesen Zeiten in Nahost. Am Freitag stand es im Zentrum vieler Reden am „Friedensgipfel des Volkes“ in Jerusalem. Auch internationale Politprominenz schaltete sich zu.

Erstellt: 12.05.2025
Aktualisiert: 12.05.2025
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Von Andrea Krogmann (KNA)

Sie sind eine Minderheit, aber an diesem Tag sind sie laut und bunt: Das israelische Friedenslager aus rund 60 Basisbewegungen hat zum „Friedensgipfel des Volkes“ eingeladen. Tausende folgten dem Aufruf ins Internationale Kongresszentrum in Jerusalem. Nach Angaben der Veranstalter war es die größte zivile Antikriegsveranstaltung seit dem 7. Oktober 2023. Teilnehmer und Veranstalter einte die Forderung nach einem Ende des Kriegs im Gazastreifen und einer politischen Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt.

Es sind Szenen, die im immer weiter nach rechts abdriftenden israelischen Diskurs Seltenheitswert haben: Stehende Ovationen für Ayman Odeh, arabisch-israelischer Parlamentsabgeordneter und Chef der sozialistischen Chadasch-Partei, lauter Applaus für ein „As-Salamu Aleikum“ (der Friede sei mit Euch) des arabisch-israelischen Abgeordneten Ahmad Tibi, seines Zeichens Chef der arabischen Ta'al-Partei, und lauter Jubel, als Tibi erklärt: „Es gibt keinen Weg zum Frieden. Frieden ist der Weg.“ In der Knesset erhalte er für seinen arabischen Friedensgruß wütende Reaktionen, scherzte Tibi mit wahrem Kern. Die Opposition im Parlament rief er auf, von der Menge im Auditorium zu lernen: „So geht Opposition!“

Frieden mit den Nachbarn beginne mit dem inneren Frieden, mahnte der Abgeordnete der Partei „Nationale Einheit“, Alon Schuster. Wie Eulen nach Athen klang sein Aufruf zu einer breiten Koalition, um strategische Schritte in Richtung dieses Friedens möglich zu machen. Wer an diesem Tag den Weg ins Kongresszentrum gefunden habe, habe sich bereits entschieden, formulierte es May Pundak, die mit ihrer palästinensischen Co-Direktorin Rula Hardal die palästinensisch-israelische Friedensorganisation „Ein Land für alle“ repräsentierte.

Den Auftakt des Friedensgipfels hatte bereits am Donnerstag ein stadtweites Angebot an Filmen, Konzerten, Kunst- und Gebetsangeboten sowie Touren zu politisch sensiblen Orten und Themen in Jerusalem gemacht. Am Freitag dann verwandelten Beteiligte und Teilnehmer das Kongresszentrum in einen Ort, an dem die Vision eines friedlicheren Nahen Ostens für einen Moment lebbar und lebendig wurde.

Messeähnlich präsentierten sich die in der „It's Time-Koalition“ zusammengeschlossenen Organisationen mit Ständen im Foyer des Kongresszentrums, boten Stofftaschen und Sticker mit zweisprachigen Friedensbotschaften, Fachliteratur und T-Shirts mit friedenspolitischen Sprüchen an. In den großen und kleinen Konferenzräumen zeitgleich im Angebot: Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden rund um das Thema Frieden, Versöhnung und den Kampf für Demokratie. Rund 3.000 Plätze bietet das Auditorium – am Freitagmittag waren selbst die Treppenstufen zwischen den Rängen voll besetzt. Weitere Zehntausende verfolgten laut Veranstaltern das Event per Livestream.

„Die Arbeit müssen wir selber machen“

Internationale Staatsoberhäupter schickten Worte der Unterstützung. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte per Videobotschaft „den Mut derer, die sich heute für Koexistenz und Frieden einsetzen“, der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas erklärte aus Ramallah: „Frieden ist möglich.“

Frieden sei schmerzhaft und alles andere als einfach, sagte unterdessen die Abgeordnete der demokratischen Partei, Naama Lazimi, die wie viele andere Rednerinnen und Redner deutlich machten, dass es bei den Forderungen nach einem anderen Weg nicht um naive Romantik geht. „Der Schmerz des Friedens ist dem Schmerz des Krieges vorzuziehen“, müsse der Schrei der Stunde lauten.

Die vielleicht prominentesten Redner des Tages waren der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Olmert und der frühere palästinensische Außenminister Nasser Al-Kidwa, die zuletzt mit einem gemeinsamen Friedensplan für den jahrzehntealten Konflikt von sich reden machten. „Beide Seiten müssen mehr tun, auch wenn wir Fortschritte sehen wie diese Konferenz“, mahnte der Palästinenser, per Video ins Auditorium geschaltet. Wenn Israelis und Palästinenser sich einsetzten, sei ihnen die Hilfe der Region sicher, so Al-Kidwa. „Die Arbeit aber müssen wir selber machen.“

Diese Arbeit bestehe daraus, erklärte Olmert, der internationalen Gemeinschaft und den betroffenen Parteien einen umfassenden Plan für eine Zwei-Staaten-Lösung und Wege zu seiner Umsetzung anzubieten. Jede andere Idee sei „eine Inschrift für endlose Gewalt“. Dafür brauche es jemanden, der das Thema aufbringe, dafür werbe und bereit sei „das Risiko einzugehen, für eine bestimmte Zeit unpopulär zu sein“ – was zugegebenermaßen für zwei alte Politikhasen einfacher sei: Ohne den wöchentlichen Blick auf die Umfragewerte könnten sie „sagen, was andere sich nicht trauen“.

Klare Worte für den Frieden, gegen Besatzung und Krieg: Sie bildeten am Freitag in Jerusalem einen wohltuend menschlichen Kontrast zu den täglich schärferen Kampfansagen und einer immer brutaleren Sprache der israelischen Regierung und ihrer Anhänger. Manchem Besucher trieb dies gerührt, vielleicht erleichtert Tränen in die Augen.

Es sei eine gelungene Veranstaltung, findet der Vertreter am Stand von „Kol Ezracheiha“ (All ihre Bürger). Ihre Zukunft habe die im politischen Spektrum noch junge arabisch-jüdische Partei noch vor sich, ist er sich sicher. „Wir sind nicht allein“, sei vielleicht die stärkste Botschaft, die von dem Friedensgipfel ausgehe.

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